Der Traum der magischen Inseln mit pikantem Ende – Dieser gottverdammte Abschied – Eine freudige Ankunft und der große Schock – Das große Wiedersehen in Lützensömmern

Lange, lange war´s geplant, am 02.Mai waren schon die Flüge gebucht und am 05.Juli um 9Uhr morgens sollte es endlich von Quito aus nach Baltra losgehen. Mein Koffer war schon seit 2Tagen gepackt und so bestieg ich gegen 6Uhr das Auto meines Gastbruders David, der mich zum Flughafen bringen sollte. Auf halber Strecke versagte allerdings sein Motor, der sich ganz plötzlich mitten auf der Straße mit einem großen Knacks verabschiedete. Für ihn als Kfz-Mechaniker natürlich kein Problem, jedoch mir ging die Zeit aus und ein Taxi war von Nöten. Ähnlich wie mein Gastbruder David war die Reaktion des Taxifahrers über die Information meines Reisezieles eine Mischung aus Neugier und Neid. Auch in den Wochen davor war mit diese Reaktion bei meiner Familie, Freunden und Arbeitskollegen aufgefallen, sodass es mir schon fast peinlich meinen Mitmenschen von meinem Trip zu unterrichten. Ein Flug hin und zurück schlägt mit 200$ und doppelten Lebenshaltungskosten vor Ort schon ordentlich zu Buche für einen Durchschnittsecuadorianer mit Familie… Irgendwie machten mir diese Reaktionen erst wirklich bewusst, wie niedrig die Wahrscheinlichkeit doch für die Meisten ist einmal in ihrem Leben ihren eigenen Landesteil kennen zu lernen… Und: Wieso habe ich Ausländer jetzt das Privileg dazu?

Als jedoch die Boeing 737 auf der unbewohnten und 17.000km von Deutschland entfernten Flughafeninsel Baltra aufsetzte konnte ich mein Glück kaum fassen! Schon von der Luft aus war das Paradies mit wunderschönen türkisenen Wassern aufgefallen. Mein Kumpel Ciko, der mit mir mal wieder unterwegs war,  und ich schwuren uns noch im Flugzeug nicht unter 1.000Bildern in diesen 2Wochen wegzufahren… In der Fähre nach Santa Cruz lernten wir eine Schweizerin Mara kennen, die wir gleich in unsere kleine Reisegruppe integrierten. In einer 10Dollar/Nacht Absteige mieteten wir uns für die erste Nacht ein, bezahlten für unser Mittagessen 4$ und bemerkten sogleich die Preisunterschiede zum Festland. Für ein Hostal bzw. Mittagessen dieser Art hätten wir in Quito nicht mehr als 5$ hinlegen müssen, jedoch gilt auf den Galapagos folgende Faustregel: Festlandpreis x2. An diesem Tag besichtigten wir noch die Charles-Darwin-Station, die eine Art historisch, biologisches Galapagos-Museum darstellt. Ein kühles Bierchen und eine Partie Billiard ließen den ersten aufregenden Tag zu Ende gehen. Am nächsten Tag erkundeten wir „Los Gemelos“ , zwei Zwillingskrater im Hochland und Lavatunnel im Tiefland, die zu den größten und längsten der Welt gehören. Ein Rundgang auf einer privaten Riesenschildkrötenfarm bildete den Abschluss dieses Vormittages und am Nachmittag sollten wir um 15Uhr nach Isabela übersetzen. Diese Überfahrt mit einem Fischerboot in Nussschalenformat wird in meine Memoiren in punkto Schrecklichkeit eingehen. Man stelle sich haushohen Wellengang vor, ein Boot mit einer Personenkapazität von  15 und einen Lagerraum in der Front des Bootes wo normalerweise Koffer und Taschen gelagert werden. Quasi genau da, wo es am heftigsten scheppert, ruckelt und wackelt und wo keinerlei Fenster sind um in den Horizont gegen die Seekrankheit zu blicken – und genau dort war wegen Überfüllung mein Platz für über 2 1/2Stunden!! Jede weitere Beschreibung meines Zustandes würde eindeutig den Rahmen sprengen. JAA!! 🙂

Mit Seelöwen auf Sán Cristóbal

Mit dem Flugzeug über Baltra...

Angekommen auf der Isla Isabela fühlte ich neben penetranter Übelkeit eine durchaus angenehme Stimmung, die das dortige Dörfchen „Puerto Villamil“ förmlich versprühte. Ein kleiner überschaubarer Rundgang offenbarte neben einem Bilderbuchstrand mit türkisen Wasser und Palmen auch Buchten mit Pelikanen, Flamingos, Galapagos-Krebse und schwarzen Meeresechsen. Nach den Tagesstrapazen fanden wir uns relativ schnell im Bett unseres 10-Dollar Hostals des „Gallo fino“ (feiner Hahn) wieder, der von seinen Nachbarn wegen seiner Eitelkeit und leichten Arroganz die Ehre dieses Spitznamen erwarb. Am Tag darauf ging die Erkundung dieses Paradieses weiter und wir liehen uns Fahrräder aus, die uns ins Hinterland der größten Insel der Galapagos-Gruppe beförderten. Dort waren neben riesigen Mangroven, Pinguinen und Seehunden auch weitere malerische Strände, Lava und sogar Meeresschildkröten zu entdecken. Etwa 12Zeitstunden später sollten wir eine organisierte Tagesführung starten, die uns zum zweitgrößten Vulkankrater der Erde bringen sollte. Des Weiteren war eine Führung durch ein 25Jahre altes Lavafeldes mit abschließender Besteigung des höchsten Berges von Galapagos inklusive. Unser Führer war Ecuadorianer, der allerdings 20Jahre in Japan gelebt hatte und deshalb mehr schlecht als recht eine Mischung aus Japanisch, Spanisch und Englisch zusammenfaselte. Sein mangelndes Fachwissen kompensierte er durch ständiges lautes Lachen und auch sein Gleichgewichtssinn schien erheblich eingeschränkt, was er geradezu penetrant unter Beweis stellte. Für die Begleitung unseres 8-Stunden Marschs erhielt dieser immerhin 20$/Person, was sich bei 15Teilnehmern als Tagesgehalt schon sehen lassen kann. Ich habe mir sagen lassen, dass dieser Führer fünf Mal die Woche mit den Touristen durch die Berge zieht. 🙂

Pinguin auf Isabela

Am Kraterrand 🙂

Der nächste Tag sollte uns zu unserer dritten Galapagos-Insel bringen: San Cristóbal. Die Stadt Baquerizo Moreno umfasst etwa 10.000Einwohner und ist um einiges belebter als das kleine Puerto Villamil auf Isabela. Hier steigen viele Touristen der Kreuzfahrten auf ein Bier ab oder machen Führungen durch das Hochland von San Cristóbal. Wie es der Zufall so wollte, kamen wir auf der Straße mit einer netten, alten Frau ins Gespräch die uns ein komplett eingerichtetes Apartment zum Vorzugspreis von 10$/Person und Nacht überlies. Ein absolutes Schnäppchen verglichen mit den gewöhnlichen Preisen auf Galapagos. Petrus meinte es während unserer Tage auf San Cristobál auch ziemlich gut mit uns und bescherte uns heiße und sonnenreiche Tage. Eine Führung durchs Hinterland mit dem örtlichen Videothekbesitzer, entspannte Strandtage mit Surfern und Naturmuseen bildeten das Programm des ersten Teils unseres Aufenthaltes. Im zweiten Teil sollte auf Ciko und mich das absolute Highlight unseres Urlaubes warten: Ein Tauchtrip zum Kicker Rock. Der Kicker Rock (in Spanisch: león dormido) liegt in etwa 10km vor der Küste der Insel und ist der Tauchspot von Galapagos schlechthin. Bekannt ist der u.a. für seine große Anzahl an Haien, Delphinen, Meeresschildkröten, Muränen, Seesterne, Seepferdchen und allerlei bunten Fischarten. Ich persönlich bin vorher noch nie getaucht und bin nicht im Besitz einer Tauchlizenz, jedoch ist auf Galapagos jedermann für 100$/Tag inkl. Snack und Equipment dabei. Der Probetauchgang verlief ganz gut, während die tiefen Tauchgänge von 25Metern eine echte Herausforderung waren. Die Bedienung meines Equipment überforderte mich mindestens genauso wie bei der starken Strömung den Kurs zu halten und so war mein erster Sinkversuch nach etwa 10Metern vorbei… Das Befüllen meiner Weste mit Luft ließ ich mich immer wieder auf und abtauchen, jedoch geschah dies unbewusst durch Unkenntnis – sehr zum Unmut meiner Tauchgruppe, die schon längst auf 25m wartete… Trotz diesen anfänglichen Schwierigkeiten konnte ich den letzten Tauchgang doch genießen und war fasziniert so tief unter Wasser klarzukommen. Beim Auftauchen schwam mein Kumpel Ciko locker Lebens an uns vorbei, ohne jedoch 3Minuten unter der Oberfläche zu warten, damit sich der Körper wieder akklimatisiert. Das Ergebnis konnte sich dann auf der Wasseroberfläche sehen lassen. Fazit: Es ist eine zweite Welt in die du eintauchst, nicht hingehörst, für die du gute Vorbereitung benötigst (unbedingt!!) und nur ein sehr exklusives 20-Minuten Visum bekommst.

Zurück auf unserer Ausgangsinsel Santa Cruz erledigten wir die dortigen Attraktionen, die wir bis dahin vernachlässigt hatten und besuchten u.a. den „Tortuga Bay“ (schöner, weiter und feiner Sandstrand), „Las Grietas“ (Felsenschlucht mit kristallklarem Wasser und vielen Fischen) und die „Los Pinguinos“ (eine Bucht ohne Pinguine, aber voll mit atemberaubend schönen Fischen).  Am letzten Tag ließen wir es uns bei einem Cocktail und einer großen Pizza noch einmal gut gehen, denn wir wollten früh schlafen gehen und am nächsten Morgen um 10Uhr den Flieger zurück aufs Festland nehmen… An diesem Morgen vermeintlich letzten Morgen hatte sich aber eine Senora „Maria Rosa“ Galapagos Chefin von LAN auf die Fahne geschrieben Freiwilligen Steine in den Weg zu legen. Auf dem Hinflug bekamen Ciko und Ich mit unserem ecuadorianischen Pass die Konditionen von Ecuadorianern und das unabhängig voneinander, da er in Guayaquil zustieg. Auf dem Rückflug hatte auch ich meine Boardkarte schon in der Hand, jedoch wollte Ciko nach Quito weiterfliegen um dort seine Freundin zu sehen und 12Stunden Busfahrt zu vermeiden. Die versuchte Verlängerung des Fluges brach uns das Genick bzw. brachte uns an Maria Rosa, die verlangte wir könnten nicht boarden bevor wir nicht den doppelten Flugpreis eines Ausländers bezahlt hätten. In Bar hatten wir leider nichts dabei, unsere Kreditkarten waren von dem hinter uns liegenden Urlaub erschöpft und der nächste Bankautomat etwa 3Stunden mit dem Bus entfernt. Trotz langer Diskussion, Bitten und Bettels auf menschlicher und allen erdenklichen Ebenen, ließ uns die besagte Frau nicht einsteigen und wir verpassten im Endeffekt unseren Flug… Diese giftgrünen Augen werde ich wohl nie vergessen können! Deshalb blieb ich unfreiwillig einen Tag länger auf Galapagos, man sollte denken es gibt schlimmeres 🙂 Die wirklich ärgerliche Sache daran war nur, dass ich Dienstag zurück nach Deutschland fliegen sollte und so wurde mir effektiv ein Tag mit meiner Familie in Tumbaco geraubt… Alles in allem war es ein klasse Trip! Die Natur und die Menschen dort sind absolut einzigartig und einen Lebensstil in dieser Art, habe ich nirgendwo anders bisher so kennen gelernt. Die Kompaktheit der Klimazonen ist auf diesem kleinen Inselgrüppchen noch viel ausgeprägter als auf dem Festland und man legt mühelos Temperaturunterschiede von 20Grad bzw. Höhenunterschiede von 1200m in 15Minuten zurück. Vielleicht auch gerade deshalb so schön und typisch Ecuador 🙂

Lavalandschaft auf Isabela!

Mit Solitario Jorgé 🙂

Einen Tag nach meiner Ankunft zu Hause im schönen Tumbaco hieß es den letzten Sonntagsausflug mit meiner Familie zu unternehmen. Wir fuhren auf meinen Wunsch hin zum Cotopaxi (5.950m), der höchste noch aktive Vulkan der Welt. Auf rund 5000Meter Höhe verließen meine Familie und ich das Auto und meine Gasteltern berührten das erste Mal in ihrem Leben Schnee. Doch aufgrund der Kälte, die um die 0Grad betrug war die Begeisterung meiner hitzeverwöhnten Eltern für einen längeren Aufenthalt nicht allzu groß und so wurde nach einem Erinnerungsfoto relativ schnell der Heimweg angetreten um nicht zu sagen geeilt. Die Gesichtsausdrücke sprechen Bände 🙂 Am Abend lud ich in ein bekanntes Steakhaus in Quito ein und wir verbrachten ein paar schöne Stunden bei gutem Essen und gutem Wein. An meinem allerletzten Tag fuhr ich noch einmal nach Quito, um ein paar letzte Abschiedsgeschenke und Mitbringsel zu besorgen und am Abend war eine Abschiedsparty meiner Familie für mich organisiert. Es gab eine Torte, Abschiedsgeschenke und Musik und so wurde gefeiert, noch einmal in Erinnerungen geschwelgt und natürlich, trotz Trauerstimmung viel gelacht. Doch irgendwie verging die Zeit so schnell, dass es fast ein fließender Übergang zwischen Abschiedsfeier und Abschied meiner Familie am Flughafen war… Wieder einmal verließ ich ein Land mit einem weinenden und einem lachenden Auge…

Besuch am Cotopaxi bei -2°Grad (ca. 5000m über N.N)

Nach einem 20stündigen Flug mit Zwischenstopp in Bonaire und Amsterdam landete ich schließlich erschöpft und aufgeregt am Flughafen in Frankfurt am Main. Nach der großen Freude über warmes Wasser am Wasserhahn der öffentlichen Toilette, öffneten sich die Türen und ein großes Transparent mit der Aufschrift „Willkommen zurück“ sprang förmlich auf mich zu. Meine Familie und Freunde empfingen mich herzlichst und es war ein wirklich überwältigendes Gefühl alle wieder zu sehen und wieder zu Hause zu sein. Die ganze Bande kam noch zu uns nach Hause auf ein Frühstück und es wurden allerlei Geschichten erzählt und natürlich auch wieder viel gelacht. Ein komisches Gefühl war es natürlich bei all dem schon, hatte ich bis dahin doch noch nicht geschlafen und auch der Abschied steckte mir bei all der Euphorie auch noch irgendwie in den Knochen…  Doch nach der ersten Nacht n Eschborn erschien alles schon soweit weg und ich war mir sehr unsicher, ob ich das überhaupt alles wollte!

In den nächsten Tagen bemerkte ich dann zusätzlich viele Unterschiede in der Denkweise, die Art der Gesten der Menschen im Umgang miteinander und die Bedeutung von Wohlstand hier zu Lande, was mir auf einmal ziemlich fremd erschien. Mich plagten regelrechte Ängste frei nach dem Motto: Hier wirst du dich nie wieder wohl fühlen können oder Fragen wie: Was mache ich hier eigentlich?  Es war nicht nur die andere Sprache, sondern auch speziell die Kleinigkeiten des täglichen Lebens wie Begrüßungen, Gespräche, Anreden, Berührungen und das Miteinander das mich auf einmal richtig gehend schockierte. Allein die Frage: Wem begrüße ich mit Küsschen? Die Begrüßung „Hallo“ ohne Berührung hatte ich schlicht weg 1Jahr lang nicht erfahren und so war ich kurz davor der Mutter eines Freundes von meinem Bruder Pascal nach 6Tagen Aufenthalt hier einen dicken Backenkuss zu verpassen… Mein nüchterner deutscher Verstand hielt mich gerade nochmal zurück. Ich litt unter dem sog. Kulturschock, der mir alt vertrautes fragwürdig erscheinen ließ. Letzendlich war es auch eine große Unsicherheit, da ich wirklich nicht wusste wie ich manchen Leuten begegnen soll. In Ecuador war unkomplizierter: Jeder Frau einen Kuss und jedem Mann einen Handschlag mit anschließender Faustberührung. Ebenfalls vermisste ich die allgegenwärtigen Busschreier, die ihren Bus und das Ziel penetrant bewerben. So lehnen sie sich ganz lässig aus der Tür heraus und schreien dich noch im Fahren an: „Nach Quito, nach Quito, Quito, Quito, Quito…!“ In Deutschland würde das die Situation an so manchem Bahnhof wohl eindeutig auflockern, wenn sich die deutschen Zugbegleiter aus ihren protzigen ICE´s herauslehnen und ihn mit den Worten „München, München, München, München, nach Müüüünchen!“ bewerben würden. Von dieser Art von Beispielen gibt es noch 100erte mehr, die mir in meinem Kopf herumschwirren und von daher begann ich ständig mit meinem zweiten Leben zu vergleichen. Dieser Prozess der systematischen Unterschiedsanalyse gewann nahezu an Eigendynamik und so begann ein weiterer interkultureller Lernprozess, der wahrscheinlich immer noch nicht zu 100% abgeschlossen ist und es vielleicht sogar nie sein wird….

In dieser Phase ist Kommunikation und Austausch mit Menschen, die in der gleichen Situation sind natürlich sehr wichtig und sogar überaus wünschenswert. Das Nachbereitungsseminar meiner Organisation ICJA e.V. in Lützensömmern kam somit gerade recht. Ich traf viele alt bekannte Gesichter aus den vorherigen Vorbereitungsseminaren wieder, lernte viele coole neue Leute kennen und sah auch ein paar Freiwillige noch einmal, die mit mir in Ecuador waren. Es war eine schöne Plattform um nochmal gemeinsam über das Jahr zu sprechen, zu reflektieren und auch unser Organisation Feedback zu geben was vor Ort gut geklappt hat und was hätte besser laufen können. In kleinen Gruppen evaluierten wir das Jahr in Bezug auf persönliche Entwicklung, Projektfortschritte, Gastkomitee, Betreuungsverhältnis vom ICJA und Freiwilligen und setzen uns kritisch mit unseren Austauschprogrammen auseinander. Für mich persönlich war es sehr wichtig eine Plattform zum Austausch zu haben und man konnte gut hier in Deutschland mit dem ICJA e.V. und den anderen Freiwilligen das Auslandsjahr und die Reintegration in die deutsche Gesellschaft behandeln. Auch wurden wir immer wieder in dem Gedanken bestärkt uns ehrenamtlich über das Jahr hinaus beim ICJA e.V. zu engagieren. Ich habe vor eine Schulung für angehende Teamer im November zu besuchen und die neue Generation Freiwillige vor der Ausreise in Vorbereitungsseminaren zu schulen und meine Erfahrung somit weitergeben zu können und auch an der Sache Auslandsjahr und ICJA e.V. dranzubleiben. Des Weiteren sind jetzt schon zwei Termine mit den Politik& Wirtschaft Kursen an meinen beiden ehemaligen Schulen (Heinrich von Kleist Schule und Albert Einstein Schule) ausgemacht und ich möchte in Präsentationsform den angehenden Abiturientenjahrgang ermutigen sich auch für ein FSJ im weltwärts Programm vor dem Studium zu entscheiden.

Und so bin ich doch angekommen nach 1Jahr in 14.00km Entfernung und  mein großes ecuadorianisches Abenteuer ist vorbei aber nicht zu Ende. Hiermit möchte ich noch einmal meiner Organisation, dem ICJA e.V. für die tolle Organisation und Unterstützung während des Jahres danken. Ebenfalls danke ich dem BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) für sein Förderprogramm weltwärts, dass mir die Ausreise und meinen Zivildienst im Ausland überhaupt erst ermöglicht hat. Danke geht ebenfalls an meine Förderer, die mit ihrem Interesse und ihren Spenden ein Türöffner waren und für diese großartige Zeit bin ich euch zu großem Dank verpflichtet. Ebenfalls ein dickes Dankeschön an meinen Vater und meinen Bruder, die beide trotz großer Schwierigkeit voll hinter mir gestanden haben und mich im In- sowie Ausland immer unterstützt haben und für mich da waren. Danke auch an meine Freunde, die mir mit ihrem Interesse und ihren lieben Worten Kraft gegeben haben.

Auch dieser Blog ist damit beendet und ich danke all den Leuten, die immer treu mitgelesen haben und mir mit positivem Feedback in mir Motivation zum Weitermachen auslösten. Ich hoffe das Lesen hat euch wenigstens halb so viel Spaß gemacht wie mir das Schreiben 🙂 Jedoch bedeutet das keinesfalls, dass ich jetzt „offline“ gehe. Ihr könnt mich gerne zu allen Themen, um die sich dieser Blog dreht mit Fragen löchern und ich verspreche, dass ich so schnell wie möglich Antworten werde.

Ich empfehle mich und wünsche allen alles Gute und zu jederzeit eine gute Zeit,

Marcel Glanz

MarcelGlanz@gmx.de

Mein Weg...

Im folgenden Artikel möchte ich meine nun 10-monatige Erfahrung dazu nutzen einen Vergleich zwischen den beiden Ländern, Gesellschaften und Kulturen Ecuador und Deutschland anzustellen. Ferner werde ich diesen unter verschiedenen Aspekten (z.B. Politik, Kultur etc.) durchführen. Ich möchte noch einmal ausdrücklich betonen, dass dieser Bericht eine subjektive Wahrnehmung darstellt und daher keinesfalls zu pauschalisieren ist.

  1. Politik

Politik ist in Ecuador stets ein sehr brisantes und viel diskutiertes Thema. In vielen Gesprächen ist es ein beliebtes Thema und die Meinungen gehen stets auseinander. In diesem demokratischen Land erhitzen sich politische Gemüter der Menschen recht schnell, was man an 8verschiedenen Präsidenten in den letzten 15Jahren deutlich erkennen kann. Wenige Menschen, die ich traf haben sich bewusst für den Präsidenten ausgesprochen sondern waren notorisch am kritisieren. Lob war eine absolute Rarität. Man kann sagen, dass Correa im Allgemeinen ein Präsident für die ärmere Bevölkerungsschicht darstellt und sich somit die breite Basis der Massen in Ecuador sichert. Mit Reformen, wie in jedem Trimester des Jahres ein Monatsgehalt mehr, oder einem Mindestlohn von etwa 360Dollar steht er vor allem bei Arbeitnehmer der einfacheren Arbeiten in der Gunst. Auch hilft die Regierung monatlich mit einem Sozialzuschlag von 35Dollar Behinderten, Alten und Kranken, was natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist aber besser als nichts… Auch genaue Einkommenskontrollen, effizientere Korruptionsbekämpfungen, Reichensteuern und ein gnadenloses Finanzamt gehen auf seine Taten zurück. Ecuadorianische Unternehmer und ausländische Investoren sind verschreckt oder wandern gar ab, da sich die Relation von investiertem Kapital und Verantwortung nicht mit dem Umsatz deckt. In der ecuadorianischen Oberschicht findet man kaum jemanden, der den Präsidenten gut heißt. Auf dem Dorf, wo Menschen teilweise noch komplett selbstversorgend leben ist man hingegen auch absolut gegen den Präsidenten, da dieser vor 3Jahren eine Eigentumsreform durchsetzte, dass alles unter 600Dollar Wert kein Diebstahl sei. Der gewünschte Effekt, war die völlig überfüllten Gefängnisse zu entlasten, jedoch Menschen die nur 400Dollar monatlich verdienen stehen bei häufigen Überfällen vor einem Problem… Auch eine kürzlich gewonnene Volksabstimmung, die dem Präsidenten per Verfassungsänderung mehr Macht zuspricht zeigt das ihm entgegengebrachte Vertrauen. Zusammenfassend kann man sagen, dass im Härtefall die Bevölkerung hinter ihrem Präsidenten steht, da die Vorteile für einen Großteil überwiegen. Offensichtlich wurde diese Tatsache beim Putschversuch der nationalen Polizei Ende September, als sich tausende innerhalb von wenigen Stunden vor dem Präsidentenpalast einfanden, um ihrem Präsidenten in dieser schweren Stunde beizustehen… (siehe: https://marcelinecuador.wordpress.com/2010/10/01/ambiente-revolucionario-en-ecuador/)

  • 2. Wirtschaft

Die ecuadorianische Wirtschaft ist hauptsächlich von versch. Natürlichen Ressourcen wie Kakao, Bananen und Erdöl abhängig. Diese Produkte werden in alle Welt exportiert, nur dass letzteres per Gesetz zu 85% im eigenen Land bleiben muss. Ecuador stellt zwar viele Dinge für den alltäglichen Verbrauch selbst her (vor allem Lebensmittel) und wirbt auch mit einem Logo „mucho mejor si es hecho en Ecuador“ (viel besser, wenn es in Ecuador gemacht ist) für den Kauf dieser Waren, jedoch sind Elektroartikel oder Autos noch immer Importgut. So zahlt man für einen sehr einfachen mp3-player schon mal 100Dollar oder für einen 1er BMW 80.000Dollar… Grund hierfür sind Importzölle, an denen der Staat gut verdient und diese Produkte nur einer kleinen exklusiven Schicht ermöglichen. Durch diesen Zoll auf jedes Auto (es gibt keine ecuadorianische Automarke) ist eine schrottreife, aber fahrtüchtige Rostlaube schon mal ihre 2-3Tausend Dollar wert. Was im Supermarkt jedoch wirklich zählt und für gut gilt sind westliche Produkte von Kraft, Uni Levers, Nestle &Co. Und so wird der Gang mit dem Einkaufswagen durch die Reihen schon mal zur Prestige, da eine Cornflakes Packung mit 4,50Dollar ein absolutes Luxusgut für ecuadorianische Geldbeutel darstellt. Zur Erinnerung: Der Durchschnittslohn liegt bei knapp unter 400Dollar… Tourismus ist für Ecuador momentan gerade erst im Kommen, ist aber durch seine Kompaktheit und Vielseitigkeit ist Ecuador eines der interessantesten Länder dieser Erde. Dieser Zweig bietet diesem Land eine ungeahnte Einnahmequelle und gute Perspektive für die Zukunft, was man auch in div. Kampagnen weltweit zu vermitteln versucht. Nicht nur die weltberühmten Galapagosinseln haben weltweit einzigartiges zu bieten, sondern auch das Festland, mit den in einem Tag besuchbaren drei Vegetationszonen (Dschungel, Bergland und Küste),  hat viel zu bieten. In welchem anderen Land der Erde kann man auf dem höchsten aktiven Vulkan der Erde bei -40°Grad, auf 5900Meter stehen und sich 6Stunden später bei 38° Grad in der Sonne bräunen lassen?

  • 3. Gesellschaft

3.1   Kriminalität

Kriminalität hat in den letzten Jahren in Ecuador immens zugenommen. In der größten Stadt Ecuadors Guayaquil sind im letzten Jahr sogar über 5Morde am Tag zu verzeichnen gewesen. Die älteren Ecuadorianer beteuern immer wieder, dass es bis vor 10Jahren noch anders gewesen sei und mit der Dollar Einführung im Jahre 2000 Kolumbianer, Peruaner und Kubaner das Land „verschmutzt“ hätten… Auf der einen Seite ist wahr, dass viele ausländische Menschen in das Land kamen, da der US-Dollar gegenüber der heimatlichen Währung mehr wert ist und sie so in Ecuador mehr Geld verdienen können. Auf der anderen Seite hat die Dollarisierung eine riesige Teuerung der Produkte mit sich gebracht, sodass auch viele Ecuadorianer gezwungen sind für ihr Überleben zu stehlen… Nahezu jeder Freiwilliger hat schon einmal Erfahrungen mit Kriminalität gemacht. Ob es nur die dreimal so teure Taxifahrt war oder ein bewaffneter Raubüberfall, solche Erfahrungen gehören hier als auffallender „Gringo“ mit vermeintlich viel Geld einfach dazu. Auch mir wurde im völlig überfüllten Stadtbus „Ecovia“ mein mitgebrachtes Handy aus Deutschland gestohlen, womit ich von vorne herein schon gerechnet hatte, dass ich mind. einmal in diesem Jahr Opfer eines Diebstahles werden würde.

3.2   Familie

Familie wird in Ecuador groß geschrieben. Der Wert der eigenen Familie ist unbestritten und das wird auch weitgehend nach außen präsentiert. Man möchte Besuchern oder Bekannten ehrlich zeigen, dass familiär alles in Ordnung ist und man sich harmonisch versteht. Ziel ist außerdem die Kinder möglichst lange im Haus zu behalten und ein Ausziehen mit 18Jahren in eine WG ist nahezu undenkbar. Dies erreicht man beispielsweise indem man seinen Kindern Häuser in der Nähe baut oder Wohnungen herrichtet, da sie die persönliche Altersvorsorge im pflegerischen sowie finanziellen Bereich darstellen. So wohnt auch mein Gastbruder David und meine Gastschwester Sandra auf unserem Gelände und das Leben spielt sich zum größten Teil im Haus meiner Eltern ab. Besonders deutlich wird die gegenseitige Zuneigung, wenn es einem Mitglied seelisch oder körperlich schlecht geht und so kommt es schon mal vor, dass der komplette Clan fast eine ganze Nacht bei einer  Blasenentzündung um das Bett der Mutter herumsteht um ihr Gutes zu tun. Auch werde ich als vollwertiges Mitglied der Familie gesehen, in Entscheidungen eingebunden, meine Meinung wird berücksichtigt und ich werde immer als letzter Sohn vorgestellt und präsentiert. Traditionell ist die Frau für den Haushalt und die Kinder zuständig, sowie der Vater für die Geldbeschaffung und so geht meine Mutter der Betreuung ihrer Enkel nach und kocht jeden Morgen frisch und mit Leidenschaft. Mein Vater ist mit seiner Elektronikfirma den Tag über beschäftigt und kommt erst mit dem Einbruch der Dunkelheit nach Hause. Innerhalb der Familie gibt es keine Grenzen was Gefallen angeht. Oftmals wird sich untereinander verschiedenes bezahlt, wenn einer kein Geld hat oder auch um 1Uhr nachts jmd. Abholen, um 3Uhr morgens Medizin kaufen fahren oder um 4Uhr morgens bei einem Aufsatz helfen stellen keine Hürden dar und werden „mit Freuden erledigt“. Die Gesellschaft der Familienmitglieder wird stets geschätzt und dem anderen zu helfen oder eine Freude zu bereiten scheint im Privatleben stets an erster Stelle zu stehen.

3.3   Glaube

Glauben ist eine sehr spezielle Sache in Ecuador, der einen großen Teil der Gesellschaft ausmacht. Vor allem steht natürlich der christliche Glaube im Vordergrund und nicht umsonst heißt „Dios le pague!“( Gott bezahl´s dir!) Dankeschön im ecuadorianischen Sprachgebrauch. Der intensive Gedanke, dass Gott dein Schicksal prädestiniert und man durch beten eben dieses positiv beeinflussen kann ist in vielen Köpfen fest verankert. So sichern sich Arbeiter bei Hochhausarbeiten selten ab oder Menschen können beruhigt in Nachtbussen schlafen, da ihr Schicksal gänzlich in der Hand Gottes liegt und was passiert, das passiert einfach… Durch diesen intensiven Glauben in einer Sache, haben auch amerikanische fragwürdige Firmen, wie z.B. Herbalife in Ecuador einen echten Stein im Brett. Herbalife bietet überteuerte Produkte zum Abnehmen von fragwürdiger Qualität an und verspricht einen Kiloverlust im freien Fall. Überall findet man Werbung von dieser Firma und immer mehr Menschen lassen sich dazu hinreißen es mitzumachen. Meine Gastmutter trinkt es schon seit mehreren Monaten jeden Morgen zum Frühstück und ihre Erfolge sind nur bedingt respektabel. Umso mehr Menschen an eine Sache glauben oder es in die Praxis umsetzen, umso mehr ziehen mit. Viel wird nicht hinterfragt, sondern es wird auf die anderen und deren überzeugende Meinung vertraut. Besonders viel Glauben wird Meinungen von älteren Menschen oder Autoritäten geschenkt. Wenn das Familienoberhaupt die Behauptung aufstellt, dass Anfang des Monats mehr Mädchen geboren werden oder dass die Sonne an der Küste eine halbe Stunde später unter geht, dann ist das Gesetz. Genauso wenn auf Klassenfahrten kollektiv die ganze Klasse krank wird und man als Lehrer die Verantwortung auf schwarze Kokosnusssaftverkäufer schiebt, da man selbst keinesfalls zur Rechenschaft gezogen werden möchte. 80Kinder vertrauen uneingeschränkt deinem Urteil, obwohl vielleicht maximal 5 wirklich einen solchen Saft getrunken haben. An die panierten Shrimps, die es zum Abendessen gegeben hat und die jeder gegessen hat, denkt natürlich niemand…

3.4   Miteinander

Der gesellschaftliche Zusammenhalt in Ecuador ist um einiges familiärer und enger als in Deutschland. Dies kann natürlich mit der Armut zusammenhängen, aber mehr ist es in der Kultur und in den Köpfen verankert, dass man sich gegenseitig hilft. Nicht zuletzt liegt das an der Religiosität der Menschen. Im Sprachgebrauch wird beispielsweise in der Anrede nicht zwischen „Bruder“, „bester Freund“, „Freund“, „Dünner“, „Kollege“ oder „Verrückter“ differenziert. Es scheint alles eins zu sein. In Deutschland unterscheidet man eben doch, wenn man als „verrückt“ oder als „Bruder“ bezeichnet. Als schönes Beispiel dient meine Situation des totalen Computerversagen vor ein paar Wochen: Von mir wurde dringend ein Betriebssystem in CD-Form benötigt und ich suchte einen gewöhnlichen Computerladen auf. Man wies mich freundlich auf die originale Windowsversion für 180Dollar hin und beschäftige sich wieder anderweitig. Nach eindrücklichem Erklären, dass ich meinen Computer für die Kommunikation mit meiner Freundin brauche erkannte man schließlich meine Notsituation und brannte mir eine Kopie umsonst. Andere Situation: Ich komme um 1Uhr nachts unter der Woche in Tumbaco aus dem Dschungel an und möchte nach Hause. Da Tumbacos Straßen um 1Uhr nachts mit Wertsachen auch nicht die sichersten sind möchte ich ein Taxi nehmen. Leider ist mir mein Geld ausgegangen und ich erkläre dem nächsten anhaltenden Taxifahrer meine Notsituation. Er glaubt mir zuerst nicht, doch nach einer Demonstration meines Geldbeutels fährt er mich kostenlos und sicher nach Hause. Situationen die in Deutschland in der Regel nicht vorkommen und solche Dienste auch nur für Freunde erledigt werden und weiß Gott nicht für jeden. Allgemein ist man auch gesellschaftlicher und kommunikativer in Ecuador und „private Runden“ in Lokalen oder Kneipen gibt es beispielsweise kaum. Alleine in einer Bar bleibt man keine 5Minuten alleine, sondern wird direkt an einen Tisch gebeten und bekommt das Angebot mitzuspielen oder mitzusingen. Zwar sind das meistens nur Bekanntschaften, die nicht länger als einen Abend halten aber es gibt auch Ausnahmen aus meiner eigenen Erfahrung. Auch ist der „Small-talk“ mit versch. Bekanntschaften des Alltags (Arbeitskollegen, Frisör, Barkeeperin, Postbeamtin etc.) ein sehr wichtiges Element. Auch wenn man sich nur nach dem Wohlbefinden erkundigt, ein „keine Zeit“ gilt oft als sehr grob und unfreundlich. Zu Anfang hat mich ein Beamter der Meldebehörde bei der Fertigung meines ecuadorianischen Passes herzlich umarmt und mich Bruder genannt. Dabei hat er sich nicht stören lassen, dass etwa 60Leute im Wartesaal saßen. Solche Leute auf den Ämtern brauch Deutschland! 🙂 Das Geben und Nehmen spiegelt sich auch in finanzieller Hinsicht wieder. Es gilt quasi schon fast als Schande der höheren Einkommensklasse anzugehören, jedoch keine Haushälterin zu beschäftigen und damit einer anderen Familie ein Einkommen zu verschaffen. Pünktlichkeit ist ein weiterer Punkt des Miteinanders, der für einen Deutschen sicherlich gewöhnungsbedürftig ist. So gibt es beispielsweise keine Buspläne oder feste Abfahrtszeiten für Verkehrsmittel. Auch Verabredungen werden mehr als wünschenswertes Ziel betrachtet und so kann immer noch etwas dazwischen kommen, was der Wartende auch in der Regel sehr verständnisvoll aufnimmt. So war ich beispielsweise auf eine Hochzeit eines Nachbarn eingeladen, die um 17Uhr beginnen sollte und der Vater des Bräutigams stand bei unserer Abfahrt um 17Uhr noch unter der Dusche…

3.5   Bildung

Bildung in Ecuador ist ein sehr heikles Thema für mich, da ich selbst 1Jahr lang in diesem Bereich arbeiten durfte. Im Allgemeinen gilt in Ecuador eine Schulpflicht bis 14Jahre, da man aber gesetzlich nicht sitzen bleiben darf, ist diese auch keine Garantie für einen Lernprozess. So kann es passieren, dass Kindern in der neunten Klasse immer noch nicht richtig lesen oder schreiben können… Es ist immer sehr grenzwertig und mit Vorsicht zu genießen, dass Schulsystem zu kritisieren. Zum einen hängt es mit dem vorherrschenden Opportunismus zusammen und auf der anderen Seite bin ich ein Mitarbeiter und kein Reformer. Dennoch gibt es gewisse Umstände, die mich stutzig machen. Z.B. Wieso bekommt eine zweite Klasse 1Stunde Englisch Unterricht, die mit ihren 5-Jahren nach 1Jahr immer noch nicht bis zehn zählen können und die siebte Klasse, die für ihre Collegioversetzung einen bestimmten Schnitt (auch in Englisch!) erzielen muss ebenfalls nur 1Stunde die Woche? Aus genau diesem Grund habe ich mit meinem Freiwilligenkollegen Matthias in den letzten Monaten nur mit den siebten Klassen gearbeitet und diesen mit intensiven Englischstunden (bis zu 6Stunden die Woche) eine Förderung ermöglicht. Des Weiteren habe ich meinen Judokurs weiterhin angeboten, um doch sehr vielen gestressten und aggressiven Kindern einen Ausgleich zu bieten. Ein anderes Thema ist die Hochschulbildung, die ich allerdings nur aus Erfahrungsberichten beurteilen kann. Es ist Fakt, dass ein Abschluss einer öffentlichen Universität in Ecuador in der Regel sehr wenig Wert ist und Erfolg im eigenen Land nur durch teure private Unis ermöglicht wird. Diese Universitäten kann sich allerdings nur ein kleiner Prozentsatz leisten und so ist es genau dieser kleine Prozentsatz, der später die Führung in den entscheidenden Schnittstellen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft übernehmen. Diese private Parallelgesellschaft wird oftmals kritisiert, da sie überhaupt nicht wissen was die Gesellschaft über die sie urteilen eigentlich bräuchte oder was sie wirklich betrifft und beschäftigt. Ein sozialer Aufstieg  ist in diesem System erheblich erschwert…

3.6   Kommunikation

Die Amtssprache Ecuadors in Ecuador ist Spanisch, was auch 98% der Bevölkerung absolut fließend beherrscht. Ein kleiner Teil auf dem Hochland in der Sierra spricht Quichua, sowie im Dschungel in einzelnen Kleindörfern Quechua. In diesen Umgebungen lernen die Kinder sogar zu allererst diese auf die indigene Kultur zurückgehende Sprache und erst mit der Einschulung kommen sie erstmals mit Spanisch in Kontakt. Englisch oder andere europäische Sprachen werden nur vereinzelt und meist von Mitgliedern der Oberschicht beherrscht und gesprochen. Allgemein haben Ecuadorianer ein großes Problem andere Sprachen zu erlernen, was ich am eigenen Leib erfahren musste. Der Lernprozess geht langsam voran, jedoch wird Menschen die Spanisch und mindestens eine weitere Sprache beherrschen viel Respekt entgegen gebracht. Auf der anderen Seite wird man stark belächelt, wenn einem einmal ein spanisches Wort fehlen sollte oder der Akzent doch sehr deutlich auf Ausländer hinweist… Im verbalen Kommunikationsverhalten sind Ecuadorianer sehr indirekt und auf wünschenswerte Dinge wird mehr im Nebensatz eingegangen. Man selbst muss viel zwischen den Zeilen lesen und aus dem „Drumherum“ das Verlangen, die Bitte oder den Gedankengang ablesen, was mir anfänglich recht schwer gefallen ist. Eine Parallele zu dem Computerladenverkäufer von weiter oben: Man muss Interesse beim anderen wecken und eine Story kreieren. Sehr hilfreich hierbei ist die nonverbale Kommunikation, die hier eine viel größere Rolle spielt als in Deutschland. So kann das gesagte in Kombination mit der Mimik oder der Gestik eine ganz andere Bedeutung bekommen und/oder hilft beim Ankommen der Botschaft ungemein. An oberster Stelle steht in der Regel immer den anderen nicht direkt anzugreifen oder zu beleidigen und ihm immer ein Schlupfloch für eine Ausrede zu lassen, damit dieser unter keinen Umständen „sein Gesicht veliert“.

3.7   Ausländer

Der Ausdruck „Gringo“ war ursprünglich nur für amerikanische Einwanderer gedacht, jedoch hat er sich übergreifend für alle westlichen Kulturen eingebürgert. Der „Gringo“ wird hier allgemein als Geldquelle und nicht des spanischen mächtig eingestuft. Auf Märkten Handeln, ein gutes Spanisch oder gar die Betreuung und Arbeit mit ecuadorianischen Kindern löst bei Vielen Erstaunen aus. Sobald man sich dem hartnäckigen Vorurteil wiedersetzt und klar gemacht hat, dass man hier lebt und diese Strecke mit dem Taxi 5Dollar und keine 20Dollar kostet bekommt man jedoch reges Interesse entgegen gebracht. Mittlerweile würde ich mich selbst als „Small-talk“ Profi bezeichnen und kenne die hier gestellten Fragen im Schlaf: „Wie gefällt dir Ecuador?“ „Was kennst du in Ecuador?“ „Ecuador ist schöner als Deutschland, oder?“ „Seit wann sprichst du Spanisch?“ „Was heißt XY auf deutsch?“. Nur selten kommt man in den Genuss mal geschichtliche oder politische Fragen (wie z.B. über die Nazizeit) klarstellen oder gar diskutieren zu dürfen. Generell sind die Ecuadorianer aber sehr freundlich, nur bekommt man öfters zu spüren, dass man blonde Haare hat und irgendwie doch nicht wirklich dazu gehört. Im Bus ist oftmals der Platz neben dir der letzte der besetzt wird, man wird oft mit „Hello“ begrüßt, penetrantes Angaffen im Bus ist alltäglich und lautstarkes Unterhalten über den vermeintlich nicht spanisch sprachigen „Gringo“ ist nicht selten. Im Umkehrschluss bist du wieder sehr exklusiv und in der Disko oder auf der Straße hebt man sich mit blonden Haaren ganz klar von der Menge ab. Nicht wenige Frauen sind begeistert von einem „Blondschopf“ oder träumen gar von der Ausreise ins ferne Europa…

3.8   Alkoholismus

In Ecuador ist der Alkoholismus ein großes vorherrschendes Problem. Es gehört quasi zum Guten Ton Bier und Schnaps in rauen Mengen zu trinken. Problematisch ist hierbei, dass die Menschen nicht genussvoll bei 1-2x Bier bleiben, sondern einmal angefangen muss am Ende der Kopf auf die Tischplatte sinken. So wird beispielsweise Freundschaft durch Gläser tauschen symbolisiert oder man sein eingeschenktes Glas unmittelbar nach Erhalt „auf Ex“ konsumieren muss. Besäufnisse sind allgegenwärtig und so macht es keinen Unterschied ob das die Marktfrau um Sonntagmorgen um 11Uhr mit der Flasche hinterm Stand steht oder am Tag des Lehrers die Eltern 15Kisten Bier fürs Kollegium springen lassen und diese gemeinsam auf dem Schulhof gelehrt werden. Oftmals steigt man auch auf seinem Arbeitsweg mittags um 13Uhr über die ersten Alkoholleichen drüber, die sich auf dem Bürgersteig zur Ruhe gelegt haben. Dabei können sie genauso gut in Bachbetten, unter Bänken der Bushaltestelle oder in ihren eigenen Exkrementen liegen… Eine ziemlich traurige Angelegenheit, wenn ich mir überlege dass manche meiner Schüler solche Eltern haben. Ein Umstand für dessen Erklärung ich ein Beispiel aus einem Kneipenabend, der noch gar nicht so lange her ist zur Rate ziehen möchte. Ich betrete ein typisches Trinklokal in der Innenstadt von Tumbaco mit ein paar Freunden und uns werden direkt Tische und Stühle freigeräumt. Ein Mann nähert sich mit mehrmaligem Entschuldigen an und fragt höflich ob er uns ein Bier anbieten darf. Wir bitten ihn zu uns und ein erstes Lächeln blitzt über seine Wangen. Er fängt an zu erzählen, von seinem Sohn der auf meine Schule geht und von seiner Arbeit für einen großen privaten Plantagenbesitzer zwei Orte weiter. Er scheint völlig aufgelöst und als ich ihm erkläre, dass ich hier freiwillig arbeite, versuche zu helfen und mein Weltbild von einer Gleichwertigkeit der Menschen und Nationen ausgeht, muss er Lächeln. Man sieht, dass ihm die Worte gut tun und er sich freut so etwas zu hören. Der Mann erklärt, dass es ihm aufgrund seiner Hautfarbe niemals gelingen wird in die ecuadorianische Oberschicht zu kommen und egal wie hart er auch arbeite und wie sehr er sich bilde, er könne niemals mit dem Lebensstandard der Menschen aus den USA und Europa mithalten. Ihm selbst sei es unangenehm, dass ihm ausländische Touristen von allen Teilen seines eigenen Landes erzählen, jedoch er selbst nur Quito und Umgebung kennt. Er sehe sich selbst als Verdammter in seinem eigenen Land, quasi in einer Einbahnstraße und daher trinke er täglich aus persönlichem Frust über diese Ungerechtigkeit und Machtlosigkeit. Natürlich ist dieses Beispiel nur eines von vielen und der Mann hat immer noch selbst in der Hand wie viel und wie oft er trinkt. Oftmals ist dies auch nur eine Ausrede, jedoch hat er mit dem Tatbestand recht, dass sich hier ein deutscher Facharbeiter problemlos eine Villa mit Pool und Elektrozaun bauen könnte. Ich bin mir sicher es ist schwer sich aus der Ferne in seine Lage zu versetzten, aber mein Verständnis hat der Mann an diesem Abend gewonnen. Gerade hier in Tumbaco und Umgebung gibt es ganze Bezirke voll mit protzigen Villen und bewachten Einfahrten. Diese Bezirke werden in den seltensten Fällen von Ecuadorianern bewohnt… Die Einkommensunterschiede auf der Welt sind einfach viel zu groß und unausgeglichen und in dieser Anekdote bekommen die Auswirkungen des globalen sozialen Gefälles ein Gesicht…

Das war meine Abhandlung über den ecuadorianischen Staat beruhend auf meinen eigenen Erfahrungen. Ich habe versucht selektiert und differenziert zu berichten und hoffe inständig, dass mir dies weitgehend gelungen ist. Sicherlich hätte ich an Erfahrungen noch das zehnfache Berichten können, jedoch habe ich mich wirklich bemüht zu präzisieren. Dieser Bericht war nicht nur für mich selbst evaluativ und eine Reflexion, sondern dient mir auch, mich in ein paar Jahren an meine Wahrnehmungen und Gedanken zu erinnern. Wenn ich in drei Jahren zurückkehre, kann ich mich auch selbst Kontrollieren, inwiefern sich der Eindruck meiner zweiten Weile in meiner zweite Heimat mit der meines Auslandsjahres decken wird. Herzlichen Glückwunsch, wer bis hierhin gekommen ist und meinen längsten Blogartikel aller Zeiten hinter sich gebracht hat! Ich hoffe das Lesen meines letzten Artikels direkt aus Ecuador hat Spaß bereitet, denn den nächsten und letzten über die Galapagosinseln und meinen Abschied hier werde ich aller Wahrscheinlichkeit nach, aus Deutschland ins Netz schicken.

Ganz viel Spaß wünsche ich und que disfruten,

Marcelo

In dem folgenden Eintrag möchte ich von keinem Besuch, keiner Reise oder besonderen Ereignis berichten, sondern ganz im Gegenteil: Von meinem Alltag! Selbstverständlich gibt es jeden Tag Abweichungen in sozialer Hinsicht, die ich jetzt aber nicht vereinzelt aufführen möchte. Eher werde ich exemplarisch davon erzählen, was es heißt einen Tag unter der Woche mein Leben in Tumbaco zu führen…

Montag, 5.30Uhr: Auf dem Weg zur Toilette stolpere ich über meinen betenden Gastvater, der kniend in der Dunkelheit hockt und vor sich hin murmelt. Für mich verschlafenen Menschen absolut unverständlich und ich bitte ihn meine Gesundheit in seine Gebete mit einzuschließen.

Montag, 7Uhr: Mein Gastvater Oswaldo weckt mich mit den Worten: „Disculpe si estoy molestando en la media noche, pero tómate tu jugo“ (Tut mir leid, wenn ich mitten in der Nacht störe, aber trink deinen Saft) und er serviert mir ein Glas frisch gepressten Orangensaft ans Bett. Ich trinke den Saft und lege mich nochmal schlafen.

Montag, 8.30Uhr: Ich stehe auf, öffne mein Fenster und die frühlingshafte Sonne Tumbacos scheint mir ins Gesicht. Ich mache schnell mein Bett und bereite mir mein typisches Frühstück (Erdbeeren, Bananen, Haferflocken, Milch, 1Tasse Kaffee, drei Rühreier und 1Brötchen) zu.

Montag, 9Uhr: Meine Gastmutter steht pfeifend in der Küche und kann sich wiedermal nicht entscheiden, was sie kochen soll. Ich helfe bei der Auswahl der Zutaten und setze mich ein Weilchen zu ihr, um zu plaudern und beim Kartoffeln schälen zu helfen.

Montag, 10Uhr: Meine freie Zeit beginnt und ich widme mich den vielfältigen Tätigkeiten wie: Reiseplanungen aufstellen, Blogeinträge verfassen, E-Mails beantworten, das politische Tagesgeschehen in Deutschland verfolgen, Musik hören, Bücher lesen, mein Zimmer aufräumen, für Diplome lernen, Besorgungen in der Stadt (Quito/Tumbaco) erledigen, Bewerbungen schreiben, Traingspläne erstellen, Fotos bearbeiten, nach Hause telefonieren… uvm. Egal wie ich es drehe und wende, irgendetwas gibt es immer zu tun für mich am Morgen!

Montag, 12.15Uhr: Ich habe mich unterwegs in Tumbaco mit einer Bekanntschaft verquatscht und bemerke wie immer erschreckt die Uhrzeit. Jetzt heißt es schnell nach Hause: Unterricht vorbereiten! Heute ist die 7B dran und einfache englische Dialoge stehen auf dem heutigen Lehrplan. Um die Racker bei der Stange zu halten, erfordert es immer etwas Kreativität, Optimismus und Abwechslung, denn 5Stunden Englischunterricht nur mit Buch bringt niemandem Freude!

Montag, 13Uhr: Mittag essen ist angesagt und ich beuge mich dankbar über meine „Sopa de Choclo“ (Maissuppe) und kurz darauf über meinen Hauptgang „Seco de Pollo con Salsa de Maní“ (Hühnchen in Nusssoße). Dazu gibt es noch einen „Jugo de Tomate de Árbol“(Baumtomatensaft).

Montag, 13.45Uhr: Kurz vor Unterrichtbeginn treffe ich mich noch mit Matti, dem zweiten Freiwilligen, um unseren Unterrichtsablauf abzustimmen und uns über allerlei Dinge auszutauschen. Der Unterricht beginnt. Zu Anfang verteile ich Bananen, Joghurts und Brot, dass ich immer von zu Hause mitbringe. Meine Kids nehmen es dankbar an und die Konzentrationsfähigkeit von ihnen steigt mit sinkendem Hunger. Wir widmen uns dem eigens angeschafften Englischbuch und versuchen uns an den „personal questions“. In der Pause gehe ich mir zwei Granadillas kaufen und verschenke eine davon an den kleinen Fernando aus der 2A, dessen letzte Mahlzeit Reis mit Zitrone am Vorabend war… Ich hebe auch noch die kleine Jessica aus der 3B mit einem Arm in die Lüfte und habe nach zwei Minuten fast den halben Schulhof um mich rum, der mir zuschreit: „A mí, a mí, a mí… (Ich auch). Mein Kollege Victor läuft schmunzelnd an mir vorbei und erinnert mich, wie jeden Tag, an den traditionellen Umtrunk am Freitag… Der Musiklehrer Hugo schreit mir entgegen:  „So ein Scheiße! Ich mag das hier nicht!“ Die einzigen beiden Sätze, die ich ihm beigebracht habe präsentiert er stets stolz bei jeder Gelegenheit 🙂 Die Pausenklingel ertönt und ich treibe meiner Schüler wieder zurück in die Klasse. Mit viel Spaß, Spielen und Pausen, aber auch der nötigen Disziplin und Konzentration wenn es erforderlich ist, geht es in die zweite Hälfte der Englischstunden. Zum Tagesabschluss spielen wir immer noch das sog. „HA!-Spiel“ aus meinem damaligen DS-Unterricht, was zu einer Art Abschiedsritual von uns geworden ist… Mit den Worten „Nos vemos en la semana próxima!“ beende ich den Unterricht und bekomme danach noch einige Umarmungen zum Abschied…

Montag, 18Uhr: Der Unterricht ist grade beendet und ich laufe schnell auf die gegenüberliegende Straßenseite um mir mein bestelltes Computerspiel vom netten Händler gegenüber abzuholen. Er fragt nach dem Wohlbefinden, meiner Familie und meiner Freundin… Weiter unten an der Straße treffe ich Patricia, die Besitzerin meiner Stammbar die mich herüberwinkt und mich einladen möchte… Ich lehne dankend ab, denn ich habe noch größeres vor… Mein Friseur schreit mich von der anderen Straßenseite an: „Buenas noches mi senor, como le va, como ha pasado?“(Guten Abend mein Herr, wie geht’s, wie ist es Ihnen ergangen?). Auch ihm muss ich erklären, dass ich heute keine Zeit für einen ausgiebigen Tratsch habe und er winkt mir grinsend hinterher. Fast zu Hause angekommen erwartet mich an der vorletzten Ecke unsere „Morochofrau“, so genannt weil sie die besten Morochos(heißer Vanillemilchreis) und Empanadas (frittierte Käsetaschen) serviert, die man in Tumbaco bekommen kann. Da sich mein Magen meldet, kann ich ihr Angebot nicht ablehnen und setze mich in ihr 4m² Lokal zum speisen und über unsere beiden Leben zu reden…

Montag, 18.45Uhr: Wie immer dauert der Weg nach Hause länger als geplant und so muss ich mich doch schweren Herzens verabschieden, denn eig. Hatte ich doch noch größeres an diesem Abend vor. Zu Hause angekommen werde ich von meinem Hund Rufito begrüßt, mich umgezogen und wieder weg um mich meiner Abendbeschäftigung zu widmen: Sport. Das Fitnessstudio von Giovanni ist mittlerweile auch schon fast zur zweiten Familie geworden, denn schließlich bin ich bis jetzt konsequent jeden Abend dort gewesen. Ich treffe mich mit Jan um mit ihm zusammen unseren Muskelaufbau und Kondition zu fördern.

Montag, 21.30Uhr: Nach dem Work-out setze ich mich schließlich zu meinen Gasteltern an den Tisch, die in der Bibel studieren. Wir tauschen uns kurz über den Tag aus, trinken Apfelcolada und spielen noch ein Partie „Cuarenta“ (Ecuadors Traditionskartenspiel Nr.1).

Montag, 22.15Uhr: Meine Gasteltern sind schon im Bett und ich mische mir einen köstlichen Milchshake. Um mich für den Morgen zu revanchieren bringe ich den beiden einen „Batido“ (Milcheshake) mit den wohlbekannten Worten: „Disculpe si estoy molestando en la media noche, pero tomen sus batidos ahorita!“ (Tut mir leid, wenn ich mitten in der Nacht störe, aber trinkt euren Milchshake!)

Montag, 22.30Uhr: Meine Gastschwester Sandra bittet mich ihr beim Erstellen ihrer Powerpoint-Präsentation zu helfen, die sie für morgen an der Uni braucht. Nach einer geschlagenen Stunde steht ihre „Präsentation über den didaktischen Wandel im 20.Jahrhundert“…

Montag, 23.30Uhr: Nach einer erfrischenden Dusche lasse ich diesen Tag Ecuador zufrieden in meinem Bett ausklingen….

Genau wie oben beschrieben läuft ein ganz normaler Tag in meinem momentanen zweiten Leben ab, dass nach über 10Monaten in seinem Ablauf auch schon sehr gefestigt ist. Der Alltag in dieser Form wird nur noch etwa 2Wochen bestehen, da danach mein Projekt vorbei sein wird. So ist es 1Monat vor meiner Rückkehr doch Zeit auch diesem ein Denkmal in Textform zu setzen… Auch ist das Wochenende komplett verschieden, da ich entweder auf Reisen, in Quito oder mit meiner Gastfamilie unterwegs bin. Besonders ans Herz legen möchte ich euch noch mein gleichnamiges Fotoalbum in meinem Webalbum, das meine Beschreibungen optimal illustriert und untermalt…

Auf diesem Blog werde ich ferner in den nächsten Wochen noch einen gesellschaftlichen Vergleich zwischen Ecuador und Deutschland publizieren, sowie einen Reisebericht von Galapagos. Ich hoffe euch hat dieser Eintrag gefallen und ihr konntet euch ein Bild von meinem zweiten Leben machen! Ganz viele Grüße und bis bald!

Herzlichst,

Marcelo

Besuch eines alten Schulfreundes – Einer der größten Bananenhäfen Südamerikas – ein ehemaliges Paradies verliert sein Fundament – ein Goldgräberstädtchen mit Charme – eine kleine große Stadt – ein Dorf mit 20-prozentigem Anteil an über 100-jährigem – ein Nationalpark mitten im Dschungel und ein trinkbarer, kristallklarer Fluss – alte verwunschene Inca-ruinen von Ingapirca

Zum Anfang möchte ich mich entschuldigen, dass ich jetzt schon seit fast zwei Monaten nichts mehr auf dieser Seite publiziert habe. Als Beweggründe sind neben dem Mangel an Neuem auch der Alltag zu nennen, der sich hier mittlerweile sehr stark etabliert hat. Trotzdem möchte ich jetzt die Chance nutzen über meine große Reise durch den doch viel authentischeren und friedlicheren Süden zu berichten. Beim Lesen wünsche ich euch viel Spaß!!

Die Idee der Südenrundreise entstand vor etwa zwei Monaten als sich ein alter Schulfreund Oliver, der mit mir zusammen Abitur gemacht hat, per Mail an mich wand und sich nach meinem Befinden erkundete. Da er momentan mit dem „weltwaerts-Programm“ in Costa Rica ist, entstand schnell die Idee eines gemeinsamen Treffens. Nachdem der ursprüngliche Plan vom Treffen in Kolumbien vom Tisch war, schlug Oliver spontan vor mich Mitte April über die Semana Santa (Osterferien) zu besuchen. Gesagt, getan, und so machten mein Gastvater Oswaldo und ich uns am 10.April gegen Mittag auf den Weg um Oli vom Flughafen abzuholen. Auch ich hatte ihn bis dato fast 1Jahr nicht mehr gesehen und so gab es bei meiner mittlerweile schon fast routinierten Quito-Tour einiges zu besprechen.

Am Freitag, den 15.April machten wir uns vom Terminal Terrestre Quitumbe per Nachtbus aus nach Machala an die südlichste Küstengroßstadt Ecuadors. Mit uns waren noch zwei Kollegen von mir unterwegs: Ciko aus Hamburg und Valentin aus Oberursel. Am frühen Morgen des 16.April kamen wir nach einer stickigen, aber soliden und flotten Nachtbusfahrt in Machala an. Die Stadt ist wie die meisten größeren Küstenstädte die ich bis jetzt gesehen habe nicht sehr sehenswert und deshalb entschlossen wir uns zur direkten Überfahrt nach Jambelí. Jambelí ist eine etwa 25km vor der Küste gelegene Insel mit jeder Menge Mangrovenbäume, Sonne, Palmen und entspannten Menschen. Wir setzten mit einem kleinen Canoa zur Insel über und unser Weg führte durch einen schönen Mangrovensumpf, sowie direkt vorbei am berühmt berüchtigten Bananenhafen von Machala. Wer auf meinen Fotos genauer hinschaut, kann auch das Logo eines großen Obstkonzernes, dessen Namen „Chiquita“ ich jetzt aus werberechtlichen Gründen nicht verraten möchte, entdecken 😉        Die zwei Tage auf der Insel selbst waren geprägt von Unbeschwertheit, guter Musik, freundlichen Menschen, viel Pilsener und einer der schönsten Sonnenuntergänge Ecuadors. Der Malecón von Jambelí sieht an manchen Stellen sehr verkommen oder gar verlassen aus und kurz vor der Abreise machten Oli und ich uns an die Frage, warum dieser eigentlich recht schöne Ort so verlassen ist. Die Antwort wollte uns auf der Insel niemand nennen und erst unser Taxifahrer in Jambelí (mal wieder die Taxifahrer ;)) konnte uns Auskunft geben. Er erklärte uns, dass der erhöhte und ansteigende Meeresspiegel im Zuge der globalen Erwärmung den Sand abgetragen hatte und das der heutige steile und kurze Sandstrand nicht mehr mit den schönen flachen Sandstränden im Norden konkurrieren könne… Da uns Sonne und Bier schon bald zu langweilig wurden, setzten wir unsere Weiterreise schon am nächsten Tag in Richtung Zaruma fort.

Als wir Zaruma zum Sonnenuntergang erreichten, waren wir beeindruckt von dem auf 1.200m Höhe gelegenen und konsequent in Kolonialstil gebautem Zaruma. Dieses wunderschöne Fleckchen Erde bietet zudem einen beeindruckenden Blick auf die umliegenden Anden, die im Süden schon fast was von grünen, saftigen Alpentälern im Sommer haben. Nach einem doch recht wolkigen Morgen, beglückte uns am Mittag die Sonne und mit ihr kam der absolut überragende Ausblick, den wir vom Schwimmbad Zarumas in vollsten Zügen genossen. Nach einem erfrischenden Bad im kühlen Nass und ein paar Panoramafotos bestiegen wir noch den „kleinen Jesus“, der an seinem großen Kreuz hoch über Zaruma wacht. Am Nachmittag begann es schließlich fürchterlich zu regnen, was nicht weiter schlimm war, da eine Goldminenbesichtigung angesagt war. Wir besichtigten die Goldmine „El Sexmo“, die allerdings nicht mehr aktiv war und nur noch exemplarisch für Touristen geöffnet hatte. Irgendwie hatten wir Blut geleckt und wollten in eine der vielen im Gebiet um Zaruma  befindlichen Minen, die noch heute Gold zu Tage fördern. Unsere suchenden Blicke auf der Straße reichten aus, um uns als Touristen zu identifizieren und so hielt neben uns ein Taxi, das uns zum gewünschten Ziel bringen sollte. Als Pauschalpreis waren 4Dollar ausgemacht und die Fahrt führte über einen kurvenreichen Pass ins Nichts. Der Taxifahrer verfehlte allerdings sein Ziel und wir mussten einmal um den Berg herum, da der Eingang sich am anderen Ende befand. Dort verneinte man uns nach einiger Diskussion den Einlass und wir mussten die gesamte Strecke zurückkehren, was den Taxifahrer aber  nicht dazu veranlasste uns mehr zu berechnen. Er wollte für gut 1h Taxifahrt lediglich 5Dollar haben! Für mich als Quiteno ist das unter zwei Aspekten beeindruckend: 1. Taxis in Quito sind vergleichsweise teuer und schlagen für  halbe Stunde Taxi mit 10-15Dollar schon zur Rate. 2. Taxifahrer in Quito sind meist sehr ausnutzend und wollen dem vermeintlichen „Gringo“ soviel Geld entlocken, wie nur irgendwie möglich. Nur eine von vielen Situationen im Süden Ecuadors, wo ich bemerkt habe, dass die Menschen keinen Unterschied zwischen „Gringos“ und „Ecis“ machen. Wirklich beeindruckend, wünschenswert und vielleicht auch ein kleiner Einblick in das Ecuador von früher, denn meine Gastmutter beteuert immer wieder, dass es früher überall so gewesen sein soll. Noch am selben Abend beschlossen wir uns um 2Uhr morgens auf die Weiterreise nach Loja zu begeben, die die größte Andenstadt des Südens, sowie die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz darstellt.

Loja ist eine gemütliche Stadt mit vielen kolonialen Bauten, Kirchen, schönen Plätzen, gemütlichen Café´s, freundlichen Menschen und einem angenehmen Klima. Dennoch wohnen rund 200.000Menschen hier und der Großstadttrubel machte uns nach geschätzten 2h Schlaf im Nachtbus doch zu schaffen und wir mieteten uns völlig übermüdet und erschöpft im „Hostal Londrés“  in Loja ein, was uns später noch einmal begegnen sollte… Der Plan war Loja innerhalb von einem Tag abzuhacken und so schauten wir uns am Morgen den botanischen Garten und die Universität Loja an. Nach einem hervorragendem Mittagessen und einem noch besseren Mittagsschlaf, blieb uns noch die Kathedrale Lojas, das Stadtmuseum und die drei schönen Plätze (Plaza Central, Plaza Sán Sebastián und Plaza de la Iglésia) zu besichtigen. Das exzellente Abendessen nahmen wir im „Casa Luna“ ein, ein sehr empfehlenswertes Restaurant für wenig Geld, ansprechendem Ambiente  und einer bescheidenen Historie von einer Woche. Mein Tipp, falls ihr mal nach Loja kommt! 🙂 Für mich war dieser Tag schnell beendet, da mir die Nachtbusfahrt doch noch in den Knochen steckte. Schon am nächsten Tag brachen wir aber auf ins fast an der peruanischen Grenze liegende und absolut verschlafene Dörfchen Vilcabamba.

Vilcabamba empfing uns mit nichts und viel mehr hatten wir auch nicht erwartet. Das erste Mal seit langem war mal wieder eine größere Anzahl Gringos in Reichweite, aber mehr auffälliges konnte man vom ersten Eindruck her nicht sagen. Vilcabamba ist mit Tumbaco der teuerste Ort Ecuadors, was die Quadratmeterpreise angeht. Hier wird nämlich aufgrund des Wassers und der guten Luft jeder fünfte Hundert Jahre alt und das ist sogar statistisch bewiesen 😉 Einer Hostalempfehlung folgend sind wir dann in das unter bayrischer Führung stehende Hostal „Izhcayluma“ in Vilcabama eingekehrt. Das von Peter und Dieter betriebene Hostal ist mehr eine Wohlfühloase, die von Poollandschaft über Billiardtisch bis hin zu einem großen Frühstücksbuffet alles bietet was man sich als angestrengter Backpacker wünscht. Wir nutzten den ersten Tag um ausgiebig die Angebote zu nutzen und uns einfach nur von den vergangenen Strapazen zu erholen. Die Nacht, in den wirklich weichen Matratzen war ein absolutes Erlebnis für 5Dollar-Hostal Reisende wie uns. Am nächsten Tag lernte ich das Spiel „Die Siedler von Catan“ kennen, was ein wirklich schönes Spiel ist und an dem ich absolut Gefallen gefunden habe. Nach 4Stunden erbarmunslosem Spielen erzürnten sich die Gemüter unter den Mitspielern und es wurde eine sehr amüsante Partie, die ein absolutes Highlight für mich in diesem Trip darstellt. Nebenbei ließen wir uns dann noch „Kaßspatzn“ nach original bayerischem Rezept servieren, ja es ist ein gutes Leben! Ich gebe zu, dass ich beim Verzehr fast geweint habe, denn sowas leckeres habe ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gegessen und das Standardmittagessen „Reis mit Hühnchen“  (für umgerechnet 1,10€) hing mir bis dato schon zum Halse raus. Gut, dass es Peter &Dieter gibt! 🙂 An sich bot Vilcabamba außer der erwarteten Entspannung nicht viel mehr und auch eine Wanderung zu einem Aussichtspunkt war aufgrund bewaffneter Überfälle in den letzten Tagen zu unsicher gewesen! In diesem Sinne begnügten wir uns mit einer Bachwanderung, die uns vom etwas außerhalb gelegenen Hostal direkt in die Stadt führte. Von dort aus fuhren wir zum Zoo von Vilcabamba, der mehr eine Freizeitanlage in der es auch Tiere gibt, darstellt als einen klassischen Tierpark wie bei uns in Deutschland. So gibt es beispielsweise auch Sportfelder und ein Schwimmbad mit großer Rutsche. Trotzdem eine ganz nette Örtlichkeit, wo man bei strahlendem Sonnenschein seine Zeit verbringen kann! Beim Abendessen am Park erfuhren wir, dass es karfreitags landesweit keine Busse gebe und wir daher keine Möglichkeit hätten nach Loja zurückzukehren, zumindest nicht heute. Nach einer kleinen Suche fanden wir schließlich einen Taxifahrer, der sich breit schlagen ließ uns für 20Dollar in das gut 90-minütige Loja zu fahren. Wieder kamen wir erschöpft im guten alten „Hostal Londrés“ in Loja an, deren Besitzer uns schmunzelnd empfingen. Auch hier endete die Nacht früh, denn  am nächsten Tag war der Nationalpark „Podocarpus“ in Zamora angesagt…

Der Nationalpark „Podocarpus“ ist ein geschützter Park im südöstlichen Teil von Ecuador und ist dem Oriente, also dem Dschungelgebiet zuzuordnen. Ein wirklich wunderschöner Naturpark, der Wasserfälle, kristallklare Flüsse und eine scheinbar unendliche Fläche an grünem Dschungelgewächs bietet. Der 150.000ha große Park bot uns die Möglichkeit einen beeindruckenden Wasserfall zu beobachten, schöne Rundwanderwege durch mehrere Vegetationszonen zu unternehmen, das Erlebnis zu haben sein Badewasser trinken zu können und einen Aussichtspunkt der Extraklasse zu besteigen. Letzteres stellte sich als wahre Tortour heraus, denn der Berganstieg war immens und wir verpassten den Aussichtspunkt und kletterten über den Berg hinweg. Am Ende war dann schon wieder Gefälle und vor lauter Busch die Fortbewegung nur noch im Sitzen möglich. Extrem anstrengend bei feucht-tropischer Luft, ohne Wasser und extremer Steigung kann ich berichten. Es kam schon enorm viel Freude auf, aber im Endeffekt hat sich der Aufstieg für den wegweisenden Ausblick absolut gelohnt!! Ein kleiner Blick in mein Fotoalbum empfiehlt sich jetzt 😉 Der Tag ging dann trotz müder Beine in einem Club in Loja zu Ende und wir feierten unseren letzten gemeinsamen Abend würdig! Die anderen beiden wollten sich am nächsten Tag auf den Weg nach Peru zum Kaid-surfen machen und Oli und ich steppten weiter in Richtung Norden. Unser nächstes Ziel: Cuenca.

Cuenca dürfte treuen Bloglesern ein Begriff sein: Richtig, Anfang November war ich für die Fiestas de Cuenca dort anzutreffen gewesen… Für mich also diesmal kein Neuland und ich konnte souverän eine Stadtführung für Oli in der charmantesten Andenstadt geben. Wir besichtigten die etlichen Kirche und Plätze, das Panamahutmuseum und buchten uns in meinem Lieblingshostel dort ein. Nach dem besten Frühstück Ecuadors, machten wir uns um 9Uhr morgens auf zu den Ruinen von Ingapirca, die etwa 66km nördlich (2h Busfahrt) von Cuenca liegen. Diese Ruinen sind Überreste eines Inca-Stützpunktes, der die Handelsroute von Quito nach Cuzco/Peru überwachen sollte. Dennoch haben dort viele Menschen gelebt und man konnte noch viele Häuserumrisse, Wachtürme und auch den am besten erhaltenen Sonnentempel besichtigen. Zeitlich waren wir allerdings etwas begrenzt, da der Bus nur einen zweistündigen Aufenthalt gewährte und dann wieder die Rückreise antrat. Gerne hätte ich auch etwas mehr über die Historik erfahren, aber die spärlich aufgestellten Schilder halfen nicht wirklich weiter. Ein Führer oder Museum wäre meiner Meinung angemessen! Alles in allem trotzdem ein sehr sehenswerter und beeindruckender Ort! Dieser Tag sollte der letzte unserer langen Reise sein…

So kamen Oli und ich am Dienstagmorgen um 6Uhr morgens nach einer bequemen Fahrt in der guten alten Panamericana Kooperative in Quito an. Etwa eine Stunde war ich dann endlich wieder zu Hause und fiel meiner immer besorgten Gastmutter in die Arme…

Soviel erstmal zu meinem Trip, ich hoffe das Lesen hat euch Freude bereitet. In Aussicht auf dieser Seite stehen Beiträge über meinen Alltag, ein gesellschaftlicher Vergleich von Ecuador und Deutschland, sowie ein ausführlicher Bericht über die Galápagos-inseln, die ich bald besuchen werde!! Zu meiner momentanen Lage ist zu sagen, dass es mir hier sehr gut geht und mich der Alltag meines zweiten Lebens hier voll und ganz eingenommen hat. In meinem Projekt habe ich mittlerweile die komplette Verantwortung und unterrichte die Klassen 7A und 7B komplett alleine in Englisch und das dreimal die Woche für 5Stunden. Diesen Unterricht muss ich selbstständig vorbereiten, halten, Klausuren konzipieren und auch korrigieren. Es ist manchmal auch ziemlich anstrengend, aber es macht mir großen Spaß!  Hinzu kommt noch montags eine Judoeinheit mit den siebten Klassen und zusammen mit dem anderen Sportlehrer Fabian. Ich arbeite praktisch nur noch alleine mit den siebten Klassen und habe dem anderen gemischten Unterricht vollends den Rücken  gekehrt. Außerdem betreue ich weiterhin freitags mein Judoprojekt in der anderen Schule in Collaqui, was ich weiterhin mit großem Engagement verfolge. Die Kids dort machen mittlerweile so große Fortschritte, dass ich Ende Juni mit ihnen die erste Gürtelprüfung abnehmen werde und ihnen somit den 8. Kyu verleihen möchte. In knapp 3Wochen habe ich meine DELE-Examensprüfung, was etwa vergleichbar mit einem TOEFL-Test ist, nur dass ich ihn halt in Spanisch machen werde. Das ganze wird auch nicht leicht werden und bis dahin muss ich noch eine Menge lernen! Mein Rückflugdatum ist jetzt mittlerweile auch endgültig: Am 20.Juli werde ich morgens am Frankfurter Flughafen landen und somit sind meine Tage gezählt!!  Jetzt heißt es nochmal genießen und auskosten!!

Ich wünsche euch nur das Allerbeste aus Ecuador und bis bald!!

Cheers,

Marcelo

Karnevalstraditionen in Ecuador – Urlaubsplanungen für die zwei Feiertage – Spaß und ausgelassene Feierei in Mindo – Besuch eines Freibades und indigenen Stammes in Santo Domingo – ecuadorianische Naturbäder

 

Schon seit knapp einer Woche steht Ecuador Kopf. Die Tradition des Karnevals ist allgegenwärtig und zieht sich durch sämtliche Gesellschaftsschichten und Straßen: Wasser und Schaum.

Die auf die indigene Bevölkerung zurückgehende Tradition, die die bösen Mächte und den Teufel austreiben und fernhalten soll ist in diesen heißen Tagen eine faszinierende Belustigungsmethode für die Massen. Spontan fallen mir dazu drei persönliche Beispiele ein:

1.       Meine Wenigkeit auf dem Weg zur Bank und schon beim Betreten fallen mir die Sicherheitsleute auf, die sich tuschelnd nach mir umdrehen. Als ich mich auf dem Weg zur Mall gegenüber befinde, bemerke ich wie ein fester vom Druck beschleunigter Wasserstrahl mit ganzer Kraft meine Backe berührt und mindestens mein gesamtes Gesicht und mein T-Shirt benässt.

2.       Auf der Rückfahrt von Mindo zurück in meinen Heimatsort Tumbaco kommen wir durch viele kleinere Dörfer hindurch, die mit Häusern am Straßenrand versehen sind. Mein Gastvater lässt auf einmal das Auto rollen und scheint den Rückspiegel zu richten. Ich lehne mich lässig aus dem Fenster während meine Gastschwester Sandra neben mir schreit: „Mojale! Moja el Gringo!“ (Macht den Gringo nass!) Zwei Eimer Wasser haben dann den Rest besorgt…

3.       Freitag, der letzte Schultag vor den Faschingsferien ist berüchtigt für seine „Juegos de Carnaval“ (Wasserspiele) Speziell in der Schule wird dann viel mit Obst, Schaum, Eiern, Wasser und was es sonst noch so gibt geworfen. Ausgesprochenes Lieblingsziel der rund 800Schüler ist an diesem Tag der Lehrkörper und so musste ich mich trotz intensiver Gegenwehr und guter Vorbereitung nach rund 30Minuten geschlagen geben….

Ich nach der großen Schlacht in der Schule

Etwa zeitgleich mit den näher rückenden Feiertagen wuchs der Wunsch innerhalb der Familie Wegzufahren und gemeinsam einen Urlaub zu verbringen. Mein Gastvater Oswaldo wollte in den Regenwald, meine Gastschwester Sandra wollte nicht an die Küste, meine zweite Gastschwester wollte nicht in den Oriente und meine Gastmutter und ich wollten an die Küste fahren… Nach einigen Diskussionen, was denn nun das geeignetste Ziel sei entschieden wir uns schließlich für Mindo. Mindo ist ein Naturreservat mit über 400versch. Vogelarten, das eine der höchsten Biodiversitäten weltweit aufweist und bietet mit seinem subtropischen Klima in der Übergangszone zwischen Andenhochland und Küste eine vielfältige Anzahl an Aktivitäten.

Über das Internet buchte ich schließlich für uns sechs (Meine Gasteltern, meine zwei Gastschwestern und der kleine José) eine angemessene Unterkunft, was bei dem Andrang über Karneval definitiv notwendig war.

Am Faschingssamstag ging es schließlich um 7Uhr morgens nach Mindo, wo wir etwa zwei Stunden später ankamen. Einen Zwischenstopp machten wir unterwegs im geobotanischen Reservat „Pululahua“, wo man einen ehemaligen erosionsbedingt eingestürzten Vulkan bewundern kann, der heute nur noch ein saftiges grünes und fruchtbares Tal darstellt. Ein Einsturz eines Vulkanes als Erdoberflächenöffnung in dieser Form ist sehr selten und weltweit einzigartig. Die erste Station in Mindo selbst sollte die Hacienda „Mindo Bonito“ sein, die eine Art „Wohlfühloase“ mit Hängematten, gutem Restaurant, Pool, Rutschbahn und Möglichkeit zu fischen darstellte. Nach einem sehr gutem Mittagessen und ausgiebiger Bestaunung der frei umherschwirrenden Kolibris war unsere nächste Station das sog. „Canopy“. Hierbei wird ein großes Stahlseil von bis zu 1km Länge über den trop. Nebelwald gespannt und man kann diesen mit einer atemberaubendem Geschwindigkeit  überqueren.

Dieser Erfahrung wollten allerdings nur Mina und ich beiwohnen. Der Rest hatte verschiedene Ausreden parat und hatte sich der Partizipation abgeschworen. Ich habe es sehr genossen und kann es nur empfehlen. Direkt daneben befand sich eine Art „Familiencanopy“ an einem hängenden Stahlkorb, den wir dann wieder alle in Anspruch nahmen und der der anderen Version lediglich in Geschwindigkeit nachstand. Auf dem Weg zum Abendessen wohnten wir noch einem Straßenkonzert im Park von Mindo bei, das von einer tanzenden Meute sehr begrüßt wurde und auch spontane Limbowettbewerbe waren an diesem frühen Abend zu beobachten… Nach dem Abendessen beschlossen Mina und ich uns in das Nachtleben von Mindo zu begeben, was einiges zu bieten hatte und so endete dieser Abend bei ein paar freundlichen Mindenos (Einwohner von Mindo) meines Alters im Keller bei einer Familienfeier und Salsatanz…

Am nächsten Tag um 8Uhr morgens (!!) beschlossen meine Gasteltern mit uns ins Küstenstädtchen Santo Domingo zu fahren, um dort den Tag zu verbringen. Wir verbrachten nach 2Stunden verschlafener Fahrt, einen halben Tag in einer Art Freibad mit Sauna, Whirlpool und türkischem Dampfbad und genossen bei Sonnenschein die freie Zeit. Die Stimmung war sogar so ausgelassen, das sich mein 60-jähriger Gastvater todesmutig von einer Hochgeschwindigkeitsrutsche ins kühle Nass stürzte und erst mal Gesprächsstoff beim Meerschweinchen zum Mittag lieferte… Zum Tagesabschluss besuchten wir den indigenen Stamm der „Tsáchillas“, die eine sehr touristische und kommerzielle Tour durch ihr Territorium mit abschließendem Tanz und Gruppenfoto anboten. Für mich eine abgespeckte Version meiner Erfahrungen, die ich während meines Zusammenlebens mit der indigenen Bevölkerung im Regenwald machte. Den Tagesabschluss stellte eine gnadenlose Partie „cuarenta“ (typisches ecuadorianisches Kartenspiel) mit meiner Gastschwester Sandra und meinen beiden Gasteltern sowie ein Bier an der Hotelbar dar…

Am Rosenmontagmorgen war dann unser Urlaub in Mindo beendet und wir packten unsere Sachen für die Rückreise… Mich sollte es an diesem Morgen noch zu einer besonderen Aktivität hinziehen: dem sog. Tubing. Tubing ist ein aufgeblasener LKW-Reifen mit dem man spaßbringend reißende Flüsse bewältigen kann. Ein herausfordernde und Adrenalin treibende Aktivität inmitten malerischen Idylls, das echt ein super Erlebnis ist! Direkt nach meiner Ankunft an einem kleinen Flussstrand machten wir uns auf den Weg zu dem Wasserfall „La Piraghua“, der eine außergewöhnliche Imposanz ausstrahlte, die jedoch von den Menschenmassen die dieses Naturwunder eher als Freibad sahen erheblich gemindert wurde. Auch aufgrund meiner Gastmutter, die wegen Knieproblemen nicht bis ganz zum Wasserfall vordringen konnte haben wir uns dann relativ schnell wieder unsere Heimreise fortgesetzt. Trotzdem hat der Eindruck gesessen!

Gegen Abend kamen wir dann hier bei uns in Tumbaco an und wurden schon hechelnd und freudig von unserem Hund „Rufu“ aka „Rufito“ begrüßt. Alles in allem ein wirklich schöner Urlaub, der schon jetzt unvergesslich für mich ist und absolut harmonisch verlief. Ich habe mir schon lange gewünscht einmal mit meiner Familie wegzufahren, die mit ihrer Ortskenntnis und den ein oder anderen Tricks im Urlaubsalltag beeindrucken konnten. Des Weiteren wurde mir ein so wichtiges Gefühl nochmal ganz deutlich bewusst: Es ist schön zu Hause zu sein!

Marcelo

Ärger über die Lufthansa und das Schneechaos in Deutschland – Ecuadors Küste – Mini Galapagos – Silvesterstrandparty – Guayaquil Sightseeing – Ecuadors Sierra – Zugfahrt von Riobamba aus – Rafting und heiße Quellen in Banos – doppelter Geburtstag in Ambato – Ecuadors Oriente – ein glücklicher Zufall in Tena – exotische Erfahrungen in einer Communidad de Selva – ausgelassene Tage in Misahualli – Sightseeing in Quito – alltäglicher Wahnsinn in Tumbaco – ein unglücklich gelegenes Midtermcamp

Wir schreiben Samstag, den25.12.2010 als eine SMS auf meinem Handy aufblinkte mit dem Text „Laura hat ihren Anschlussflug verpasst, sie versucht jetzt umzubuchen!“

Das Schneechaos in Deutschland erreichte mit seinen verheerenden Auswirkungen sogar Quito in Ecuador. Eine ärgerliche Sache, wenn man bedenkt, dass wenn man sich monatelang auf ein bestimmtes Datum fixiert und Hotelbuchungen auf einen bestimmten Tag ausrichtet. Auf der anderen Seite relativieren sich 24Stunden dann wiederrum sehr schnell und so fand ich mich, nach umorganisiertem Reiseplan, am Abend des 26.12.2010 am Flughafen Quitos im Bereich „International  Arrivals“ vor. Etwa eine Stunde später saß ich dann mit einem altvertrauten Gast im Taxi Richtung Hotel, wo sich Laura nach fast 48Stunden Reise eine Schlafmöglichkeit sehnlichst wünschte.

Am nächsten Tag waren wir beide dann unterwegs zu meiner Gastfamilie, die uns schon mit einem Essen erwartete und unglaublich neugierig auf den weiblichen Gast in meinem Alter war. Trotz Verständigungsproblematik und anfänglicher Schüchternheit war das Gespräch am Tisch unterhaltsam und wir wurden nach dem Packen des Reiserucksackes mit einem lauten „Que les vayan bien!“ verabschiedet. Keine 24Stunden nach Lauras Ankunft befanden wir uns im komfortablen Nachtbus nach Guayaquil, wo wir in unseren Anschlussbus nach Puerto Lopez umsteigen sollten. In Guayaquil angekommen empfing uns ein imposanter zweistöckiger Busbahnhof, der einigen Flughäfen in Deutschland Konkurrenz gemacht hätte. Außerdem war eine schwüle Hitze vorherrschend, die sich an unseren klebenden Kleidungsstücken eindeutig bemerkbar machte. Am Bahnhof trafen wir dann noch zwei Freunde von mir, die zufällig auch zum gleichen Ziel wollte wie wir, sodass wir nach etwa 4-stündiger Fahrt im verschlafenen und charmanten Fischerdörfchen Puerto Lopez ankamen.

Puerto Lopez war zu dieser Zeit voll von anderen Voluntären aus meiner Organisation undso wir trafen nach etwa zwei Stunden auf all die anderen, die uns neugierig und freudig begrüßten. Der Nachmittag/abend wurde mit vielen Hängematten, Jugos und Bieren begangen, eben ganz nach Küstenart. Am nächsten Tag fuhren Laura und ich mit einem lässigen „Ökotaxi“ zum Playa „De los Frailles“ um dort den Tag zu verbringen. Der Strand zeichnete sich durch feinen Sand, kristallklares Wasser, eine ruhige Bucht und Korallen vor den großen Klippen aus. Ein wahres Paradies!

Am darauffolgenden Tag entschieden wir einen Trip auf die „Isla de la Plata“ (Silberinsel), die eine Art Mini-Galapagos aufgrund ihrer Tierbevölkerung darstellt. Unsere Führerin erklärte uns nach knapp zweistündiger Überfahrt, dass viele Albatrosse, Blaufusstölpel, Delphine etc. vor bzw. auf der Insel Rast machen um dort zu brüten oder sich für die große Weiterreise in Richtung Galapagos vorzubereiten. Ein anstrengender, dreistündiger Fußmarsch über die Insel, der sich aufgrund der geschätzten 40Grad in der Sonne unglaublich hinzog und so kam das Schnorcheln vor den wunderschönen Korallen der Insel im kühlen Nass gerade recht. Erschöpft aber dennoch begeistert kamen wir in unserem wirklich schönen Hotel in Puerto Lopez an und ließen den letzten Abend in einer Strandbar ausklingen, denn am nächsten Tag sollte es nach Montanita weitergehen…

Freitag, der 31.12.2010: Die Sachen in Puerto Lopez waren gepackt und für die Weiterreise nach Montanita bereit. Gegen Mittag verließen wir das wunderschöne Island Puerto Lopez, um die Silvesternacht im komplett überfüllten Montanita zusammen mit 30.000 anderen aus aller Welt zu verbringen… Wir wohnten in einem recht abseits vom Lärm gelegenen Hotel, das von einem amerikanischen Aussteiger, der uns zwingend seine Lebensphilosophie aufzwängen wollte, mehr schlecht als recht geleitet wurde. Ebenfalls war dieses Dörfchen mit knapp 1.000 Einwohner voll mit bekannten Gesichtern undso waren wir zur Stunde null alle am Strand versammelt, um uns gegenseitig ein „Frohes Neues Jahr“ und viele Komplimente auszusprechen. Die Nacht begingen wir in einem Club mit Liveband und wir tanzten uns im Sand und auf der Holzfläche bis in die späten Morgenstunden die Füße wund… „Ein so rundum bezauberndes Silvester haben wir selten erlebt…“ waren wir beide uns nach einer abenteuerlichen Strandwanderung zum Hotel im Zimmer schließlich einig.

Die restlichen Tage in Montanita zeichneten sich durch eine lockere Mentalität, viel Zeit für alles und jeden, Shoppingtouren,  Beachvolleyball, viele Jugos mit den exotischsten Früchten und vor allem durch SURFEN(!) aus. Montanita ist nunmal Surf pur, denn auch nationale und internationale Meisterschaften finden hier statt. Wir beide machten anfänglich eher eine klägliche Figur auf den Brettern, aber dennoch hatten wir mit unserem Surflehrer Leyton den Dreh nach kurzer Zeit raus. Ein wahnsinnig lässige Erfahrung so eine Welle zu dominieren, dennoch ist das Paddeln nach einiger Zeit extrem anstrengend. Ebenso sind zu große Wellen ziemlich schwer zu reiten und es braucht jede Menge Übung….

Dienstag, der 4.12.2010: Mit Thomas (einem Amifreund von mir) und Harry, einer neu dazugewonnen Bekanntschaft aus Nordengland ging es schließlich nach Guayaquil, wo wir einen Tag Stadtbesichtigung geplant hatten. Wir erreichten die Stadt gegen Mittag und eine schwüle Dunstglocke über der Stadt war deutlich zu vernehmen. Mit dem Taxi ging es zu unserem ersten Zwischenstopp, dem Parque Iguana vor der Kathedrale Guayaquils. Der  Park hatte getreu seinem Namen jede Menge Leguane zu bieten, die sich frei auf der Rasenfläche bewegten und ein anscheinend ruhiges, gemächliches Leben führten. Immer gegen die Mittagszeit kommen Bedienstete der umliegenden Hotels um die Leguane mit allerlei Lebensmittelresten zu füttern. Keine zwei Blöcke weiter lag der neu gestaltete Malecón 2000 direkt am Flussufer des Rio Guayas. Dieser verdreckte und zugemüllte Fluss hatte eine so schöne Uferpromenade meiner Meinung nach nicht verdient. Spielplätze, tropische Anlagen und zahlreiche Bars und Restaurant säumten das Bild des Malecóns von Guayaquil. Wir liefen die komplette Promenade bis zum Ende entlang und gelangten schließlich ins das künstlerisch gestaltete Viertel „Las Penas“. Die Häuserzeilen, die den Weg bis zum Aussichtspunkt an einem ehemaligen Leuchtturm schmücken, wurden vor rund 10Jahren extra restauriert und frisch hergerichtet. Der Aufstieg ist beschwerlich, aber dennoch sehr schön und sehenswert und entschädigt ein bisschen für den unschönen Ausblick am oberen Ende. Guayaquil hat auf Laura und mich einen unschönen (bis auf die aufgezählten Sachen) und kriminellen Eindruck auf unserer Ecuadorrundreise gemacht. Dennoch ist es für einen Tag, wenn man auf der Rundreise ist, durchaus sehenswert und bietet eine andere Art von Großstadt als Quito.

Mittwoch, der 05.12.2010: Per Nachtbus erreichten wir von Guayaquil aus um kurz vor 5Uhr das eiskalte Riobamba auf gut 2400m Höhe. Unsere Suche nach Frühstück beendeten wir schließlich erfolgreich und wir starteten um 6.30Uhr unsere Reise zu einem Vorort von Alausí per Zug. Dieser Zug ist aber keineswegs ein seriöses Reisemittel wie in Deutschland, sondern eher eine Touristenattraktion, die einen schönen Einblick in die Sierra und seine indigene Bevölkerung gewährt. Etwa fünf Stunden dauerte die Fahrt, die mit kurzen Zwischenstopps in schönen Dörfern, einer alten Kirche und mehreren Verkaufsstationen überzeugt. Im Prinzip eine Art „Kaffeefahrt“ durch die Anden. Auch fielen uns beiden immer wieder die Augen zu, da die Fahrt im Nachtbus eher eine Strapaze war als eine Erholung. Auch ich habe hier in meiner Zeit in Ecuador keinen einzigen Nachtbus mit so vielen Schnarchern auf einem Haufen erlebt… Da war die ruhige und sonnengewärmte Lok ein deutlich angenehmeres Schlafumfeld gewesen 😉

Noch am gleichen Tag machten wir uns weiter in Richtung Norden, um dort vier Tage im schönen Banos zu verbringen. Treuen Bloglesern sollte Banos ein Begriff sein, denn hier habe ich meinen zwanzigsten Geburtstag verbracht. Genau in dem gleichen Hostel wie ich damals mieteten wir uns ein und bekamen ein schönes Zimmer mit privaten Bad, Balkon und schöner Inneneinrichtung. Da wir beide spät und kaputt in Banos ankamen endete der lange Tag ziemlich schnell mit einer großen abendlichen Pizza und einem erschöpften Pärchen, dass dankbar über die weichen Matratzen war.

Am nächsten Tag ging es auf zum Rafting, wofür Banos ziemlich bekannt ist. Nicht umsonst ist es das Touristenörtchen Nr.1 in Ecuador, wo sich von Bungee-jumping, über Wasserfallabseilen bis Rafting und Tubing alles Mögliche an Sportaktivitäten machen lässt. An meine letzte Raftingtour kann ich mich bewusst nichtmehr erinnern und so war diese nicht nur aufgrund des extrem starken Flusses ein besonderes Erlebnis für mich. Nach einem Mittagessen entschlossen wir uns mit zwei unterwegs gewonnen Kameraden eine Bugeetour um Banos herum zu machen. Bugees dieser Art sind kleine motorisierte Flitzer, die führerscheinlos gefahren werden dürfen und im Gelände so ziemlich ALLES mitmachen. Vielleicht hatte gerade deshalb meine Beifahrerin zu diesem Zeitpunkt nicht ganz so viel Spaß wie ich. Besser als ich stellte sie es jedenfalls nicht an, denn während ihrer Fahrtzeit ging der Motor kaputt und wir mussten unseren Verleih mit dem eigens dafür mitgegeben Handy von unserer freudigen Situation berichten… Natürlich war der Motor der Schuldige!! 🙂 Nach diesem nervenaufreibenden Tag, wollten wir es kurz vorm Abendessen noch einmal ruhiger angehen lassen und wir begaben uns in die heißen Thermalquellen, für die Banos so berühmt ist… Eine sehr entspannte Art den Abend ausklingen zu lassen, jedoch hätten wir das Abendessen lieber woanders verspeisen sollen…

Der nächste Tag war geprägt durch Krankheit und Bettlägerigkeit, denn wir beide hatten uns an dem Essen gehörig den Magen verdorben. Meine einzige Tat war ein Gang zum Supermarkt, wo ich für uns beide eine kleine Auswahl an Lebensmittel auftrieb…

Der darauffolgende Tag war Lauras Geburtstag und uns erging es glücklicherweise beiden wieder besser. Wir machten eine Fahrradtour zum „Pailón del Diablo“ (Kessel des Teufels), die gleiche die auch schon an meinem Geburtstag gemacht hatte. Während der Tour kann man wunderschön sehen, wie die Vegetation langsam von Sierra in Dschungellandschaft übergeht und zum Abschluss kann man sich einen riesigen und beeindruckenden Wasserfall ansehen. Gleichzeitig war dies auch der Abreisetag für uns in Banos, da war am Abend nach Ambato wollten um ihren Geburtstag, sowie in den Geburtstag von einem Kumpel von mir reinzufeiern. Mit vielen anderen Gästen begingen wir einen ausgelassenen, aber auch entspannten Abend in Cikos Heimat Ambato.

Sonntag, der 09.01.2011: Heute hieß es den letzten Teil unserer Ecuadortour anzufangen, den Besuch im Oriente bzw. tropischen Regenwaldes Ecuadors. Direkt von Ambato schnappten wir uns einen Reisebus nach Tena, der aufgrund eines Erdrutsches in der Nacht davor erheblich in einen Stau involviert war und so kamen wir gut 3Stunden zu spät in Tena an. Eine Weiterreise zu unserem eigentlich geplanten Ziel Misahualli war nun auch unmöglich geworden und wir entschlossen uns die Nacht an Ort und Stelle zu verbringen. Wir fanden aufgrund einer Busbekanntschaft ein gutes Hostel, dass von einem Deutschen Michael geleitet wurde, der auch gleichzeitig eine Dschungelagentur besaß und uns ein gutes Angebot für eine 3-Tagestour unterbreitete.

Nach einer kurzen Nachtruhe brachen wir am nächsten Tag auf, um in die hosteleigenen Cabanas in der Dschungelcommunidad „Serena“ einzuchecken. Von hier aus ging es mit einer lustigen Reisegruppe von  6weiteren Personen direkt in die „Selva“ (trop. Regenwaldgebiet) und wir lernten eine unglaubliche  Vielzahl an exotischen Pflanzen und Früchten kennen, die uns genauso erstaunten wie faszinierten. Unter anderem zeigte unser Führer Giovanni uns wie man ein Blasrohr baut, wie man frischen Kakao lutscht, wie man aus natürlichen Farben Sonnen auf weiße T-Shirts malt, Fallen für Vögel und Meerschweinchen stellt oder Schmuck aus einfachen Pflanzen herstellt. Nach einem Mittagessen und einem erfrischenden Bad im Fluss kehrten wir bei einer alten Gemeindeeinwohnerin ein, die für unsere Reisegruppe eine ganz besondere Spezialität vorbereitet hatte: Maden mit Yucca, Aji und süßen Palmenraspeln. Wir durften bei der Zubereitung beiwohnen und hatten wenig später die Ehre diese zu verspeisen. Meiner Meinung nach wie Omelette, aber man beachte den Gesichtausdruck von Laura auf den besagten Bildern 😉

Am Abend sind wir dann noch mit einfachen Bambusangeln fischen gegangen und waren am Flussufer sehr erfolgreich mit unserer Jagd. Die Fische gab es dann auch direkt zum Abendessen auf den Tisch serviert und obwohl selbst gefangen, waren die Nudeln für die Mehrheit doch attraktiver gewesen.

Die nächste Tagestour bot uns eine Wasserfalltour, bei der wir mehrere Wasserfälle mit Seilen erklimmen sollten. Hierbei wurde uns einer neuer Führer gestellt und wir verbrachten den Tag auch ebenfalls mit einer neuen Gruppe. Trotz der Schönheit des Ortes hätte ich mir etwas schwierigere Wasserfälle gewünscht, denn diese waren in der Tat eher einfach zu erklimmen. Zum Schluss konnten wir noch ein Bad unter einem großen Wasserfall nehmen bis wir auf eine drei-stündige Wanderung durch den Dschungel aufbrachen, die einer Berg und Talfahrt glich. An sich keine große Sache, jedoch in Gummistiefeln und einer haushohen Luftfeuchtigkeit war dem echt leichter gesagt als getan. Die Tour ging an einer normalerweise kristallklaren Lagune zu Ende, wo man wunderschön baden konnte jedoch das Kristallerne aufgrund der starken Regenfälle vom Vortag stark zu wünschen übrig ließ. Alles in allem trotzdem ein schöner Tag in einer wunderschönen Natur. Am Abend nahm uns Giovanni, unser Gastgeber, noch mit zur Dorfschamanin um mit uns eine spirituelle Reinigung und Befreiung von bösen Geistern durchführen zu lassen. Hierbei wurden wir mit heiligen, spirituellen Blättern kontinuierlich am Kopf betupft und Tabakrauch wurde über unsere Körper geblasen. Wir saßen danach noch eine Weile mit ein paar Dorfbewohnern am Lagerfeuer und ließen die Zeremonie auf uns wirken bis es uns schließlich unter unser Moskitonetz zum Schlafen verschlug.

Am letzten Tag der Dschungeltour besichtigten wir ein indigenes Museum, sowie einen Auffangstation für Dschungeltiere, in der wir Eindrücke über das weitreichende Tierreiche in der Selva bekamen, denn diese Art von Tieren sind in freier Wildbahn äußerst scheu und daher so gut wie nie zu sehen. Eine sympathische deutsche Voluntärin führte uns durch den großen Tierpark „Amazoonico“, der eine wirklich schöne und große Aufmachung hatte. Nach einem kurzen Mittagessen, bekamen wir noch einen Einblick in eine Süßholzschnitzerei und dieser Tag ging damit seinem Ende zu. Alles in allem war die 3-Tagestour ein wirkliches Erlebnis und hat sich wirklich gelohnt. Niemand der einen Aufenthalt in Ecuador hat sollte sich die grüne Lunge der Erde entgehen lassen!

Nach diesen wirklich sehr anstrengenden Tagen entschieden wir beide uns doch noch zwei Tage in Misahualli zu bleiben, um dort an einem Sandstrand nochmal ordentlich Sonne zu tanken, die im Regenwald meist von hohen Bäumen vom Durchkommen abgehalten wurde. Wir mieteten uns in ein schönes Hostel direkt am Strand ein und genossen nochmal zwei Tage Wärme& Natur bevor es uns zurück ins Großstadtgetümmel von Quito ziehen sollte. Direkt an unserem Hotel waren tagsüber kleine Kapuzineräffchen unterwegs, die eine Abgebrühtheit und Keckheit an den Tag legten worüber wir uns zumindest anfänglich köstlich amüsierten. Am ersten Tag wurde uns der Rest Marmelade direkt vom Frühstückstisch geklaut und auch ein Feuerzeug wurde direkt aus Lauras Händen stibitzt. Nach einem halben Tag schlug diese anfängliche Freude dann eher zu einer genervten Vorsicht vor den Affen um, denn die Dreistigkeit kannte kein Ende. Dennoch war der Anblick eines neugeborenen Äffchens, dass mit ihrer Mutter direkt vor unserem Zimmer lag ein unvergesslicher Augenblick für Laura und mich. Der Abend ging in einer Billiarddisco zu Ende, die in dem kleinen aber doch touristischen Misahualli auch zu später Stunde gut gefüllt war.

Freitag, der 14.01.2011: Der letzte Tag unserer Ecuadorrundreise war gekommen und wir machten uns nach einem guten Frühstück, sowie einer Bananabootsfahrt für 1Dollar auf den Weg in Richtung Quito. Glücklicherweise fuhr der Bus direkt durch meine Stadt Tumbaco, und so kamen wir gegen 22Uhr müde und erschöpft bei meiner Gastfamilie an, die uns herzlich, erleichtert und mit einer stärkenden Suppe empfing.

Viel Schlaf sollten Laura und ich jedoch nicht bekommen, denn wir wollten unser letztes gemeinsames Wochenende in Quito verbringen um etwas Sightseeing zu betreiben.

Samstag, der 15.01.2011: Nach dem Mittagessen bei meiner Gastfamilie brachen Laura und ich auf nach Quito um dort ein geeignetes Hostal für uns zu suchen und danach den „Mercado Artensanal“ in der Mariscal aufzusuchen. Hier kann man von touristischen Accessoires bis zu traditioneller Kleidung und Musik alles kaufen was mit indigener Kultur in Ecuador irgendwie in Verbindung gebracht werden kann. Glücklicherweise verbrachten wir gute 3Stunden auf dem engen und unübersichtlichen Markt, denn Auswahl und Entscheidung schien sich an diesem Tag nicht so gut zu vertragen. (JAAAAAAA!!!) Glücklicherweise war der später Nachmittag im „Parque Carolina“ beim Tretboot fahren um einiges entspannter und wir genossen die weiträumige Grünfläche mitten in Quitos Innenstadt. Nach dem Essen machten wir uns auf den Weg zu Johanna´s Projekt um dort den Abend einläuten zu lassen, denn wir sollten um 23Uhr auf eine Chiva zum Feiern aufsteigen. Chiva ist ein Partybus, der in Schritttempo mit lauter Musik durch die Stadt fährt und der eine Glühweinflatrate und eine große Tanzfläche bereitstellt. Mit rund 50Leuten war das ein riesiger Spaß quer durch ganz Quito. Nach der Chiva sind wir noch mit ein paar Feierwütigen in einen Club, der jedoch kurz darauf vom Militär dicht gemacht wurde, da die Sperrstunde von 3Uhr erreicht war.

Der Sonntag war nach einem Essen in Quitos größten Einkaufszentrum eher ein ruhigerer Tag und eher der Abend war interessant gewesen. Wir besichtigten das historische Zentrum Quitos und verbrachten den Abend im wunderschönen Aussichtsrestaurant „Vista Hermosa“ im achten Stock eines großen Gebäudes. Dort beschlossen wir die planmäßig für uns anstehende Pichinchabesteigung auf sich beruhen zu lassen und lieber den Panecillo mit seiner Jungfrauenstatur, die ganz Quito bewacht zu besuchen. Auch für mich war dieser Berg eine Neuheit, da er als extrem gefährlich gilt. Oben angekommen jedoch vermittelte der kleine Gipfel eher einen verschlafenen Eindruck und wir schauten uns in Seelenruhe das dazugehörige Museum, sowie die spektakuläre Aussicht über Quito an…

Dienstag, der 19.01.2011: Heute war es endlich soweit und mein Ehrengast sollte meinen täglichen Arbeitsplatz kennen lernen. Für die anstehenden Englischstunden hatten wir beide uns ein Vokabelratespiel überlegt, was wir mit zwei siebten Klassen spielen wollten. Hierbei konnte ich Laura vor allem das unterschiedliche Lernniveau einzelner Grade demonstrieren, sowie einen kleinen Einblick in meine Art des Unterrichtens und meinen Projektalltag geben. Es hat viel Spaß gemacht und die ganze letzte Woche noch haben mich meine Schüler gefragt, ob „la Laura“ jetzt nun meine novia (Freundin) sei oder nicht. Wir haben bewusst an dem Tag ein Geheimnis draus gemacht, denn noch heute rätselt meine Schülerschaft…

Einen Tag später begann mein sog. Midterm-camp, dass nach der ersten Hälfte des Freiwilligendienstes abgehalten wird, um die Gruppe zusammen zubringen, gemeinsame Aktivitäten zu starten und vor allem über das letzte bzw. das nächste halbe Jahr zu sprechen. Gemeinsam hatten wir Aktivitäten, in denen wir beispielsweise ein persönliches Problem in Kleingruppen besprechen sollten oder für Ecuador typische Gesten, die wir in unserer Alltagserfahrung bemerkt haben, in einem Theaterstück darstellen. Insgesamt ging das Camp 3Tage lang und wir hatten alle viel Spaß dabei und Laura konnte tagsüber die Zeit mehr oder weniger produktiv in der Sonne nutzen 😉 Für meinen Teil habe ich auch viel gelernt, habe einiges an Anregungen mitgenommen, die ich in Hälfte 2 anwenden werde und habe mich wohl gefühlt mit den anderen Freiwilligen Zeit verbracht zu haben und fand das Camp als Kommunikationsplattform sinnvoll eingesetzt.

Leider war das Camp auf die letzten Tage von Laura& mir gefallen, was sehr ärgerlich war. So sind Laura und ich an unserem letzten Abend nach Quito gefahren um dort zu schlafen, denn im Camp wäre der Weg zum Flughafen am nächsten Tag zu weit gewesen. So verabschiedeten wir uns am Flughafen auch schon ziemlich früh, da ich wieder zurück ins Camp musste, dass ich den ganzen Vormittag noch zu besuchen hatte…

Insgesamt muss ich sagen, dass es ein einzigartiger Urlaub und eine wunderschöne Zeit war, die ich ganz sicher niemals in meinem Leben vergessen werde!! ES WAR ÜBERRAGEND SCHATZ !!!!!

 

 

In diesem Sinne…

Muchos saludos,

Marcelo

Dieser ereignisreiche zwölfte Monat…!

Veröffentlicht: Dezember 25, 2010 in In Ecuador

Nachdem ich mich jetzt fast einen ganzen Monat am Stück nicht gemeldet habe und kurz vor meinem dreiwöchigen Ecuadortrip stehe habe ich mir gedacht, ich schreibe nochmals einen Eintrag über den Monat Dezember.

 

Kerb in Tumbaco – erster Diebstahl – Fiestas Quito mit großer nächtlicher Parade und The Wailers Konzert – erneute Pichinchabesteigung – Udo´s Abschied – Examensphase im Projekt – 3 Weihnachtsfeiern

 

Der Dezember kam anfänglich wirklich sehr lässig daher, denn hier in Tumbaco ist den ganzen Monat über Kerb mit allen nur erdenklichen Attraktionen. Von Achterbahn bis Riesenrad ist alles dabei gewesen und Matthias und ich verbrachten einen Nachmittag dort um die ecuadorianischen Fahrgeschäfte mal auf Herz und Nieren zu testen. Auch wenn Matthias nach einer vermeintlichen Höllenfahrt im Riesenrad bei schleifendem Gürtelmotor ziemlich weiß-grünlich um die Nase war, hat Ecuador meiner Meinung wieder einmal bestanden – vor allem im Preis-Leistungs-Verhältnis!!

In der ersten Woche des zwölften Monats im Jahr kam es dann zum unvermeidlichen hier in Ecuador und worauf ich mich schon lange vor meiner Abreise eingestellt hatte. – EIN DIEBSTAHL! An sich war es ein ganz normaler Taschendiebstahl in einem total überfüllten Stadtbus, der prinzipiell auch in jeder deutschen Großstadt hätte passieren können. Einen Moment lang war mir die Sicht zu meinen Hosentaschen versperrt und die Menschen waren so dicht an dicht, dass man mit den anderen Fahrgästen zu verschmelzen schien und ZACK! – war es um mein Sony Ericson geschehen. Für mich war die Sache nicht weiter von Bedeutung, denn zum einen hatte ich das Handy in Deutschland mal im Bus gefunden und zum anderen weiß man als Quiteno wo man nach geklauten Sachen zu suchen hat 😉 Zwei Tage später war ich unterwegs in den Süden um dort Ausschau nach meinem Handy zu halten um es dann ggf. wieder zurückkaufen zu können. Aufgrund Konnektivitätsproblemen, die mein altes Handy aufwies, entschied ich mich dennoch für ein anderes Handy, das mit Ladegerät und neuer SIM Karte zu einem unschlagbaren Preis daherkam. Seitdem bin ich Besitzer eines Alcatels und hoffe dass ich von weiteren kriminellen Zwischenfällen verschont bleibe.

Ein weiteres Highlight bot sich ebenfalls Anfang Dezember: DIE FIESTAS DE QUITO! Genau wie bei den Fiestas de Cuenca wurde hier die Gründung zelebriert, die in Quito am 6.Dezember 1534 begangen wurde. Aufgrund dieses Ehrentages gab es schon zwei-drei Wochen vorher Unmengen von kulturellen Veranstaltungen, Konzerten und Events. Besonders beliebt sind hier die sog. Chivas. Das sind im Prinzip fahrende Diskotheken, die mit ordentlich vollgetankten Fahrgästen über die großen Avenidas, Parks und Zentren hier in Quito fährt. Mit einem guten Fahrer ein wirklicher Riesenspaß! Im Partyviertel La Mariscal war schon 3Tage vor dem eigentlichen Gründungstag die Hölle los und eine riesige Menschenmasse drängte sich über den Plaza Foch. Noch niemals zuvor habe ich diesen Ort so überfüllt mit Menschen gesehen! Am Montagmittag waren dann noch einige Volunteers äußerst motiviert mit mir in den Süden Quitos zu einem Konzert der ehemaligen Bob Marley Band „The Wailers“ zu fahren. Natürlich spielten sie zu Ehren unserer Stadt ihr Konzert umsonst, live und draußen bei herrlichem Sonnenschein. Ein wirklich gelungenes Konzert und eine Band die ihren Gästen zwei Stunden non-Stop Show, Music und Unterhaltung bot! Den Abschluss bildete dann eine nächtliche Parade, die am Montagabend quer durch die ganze Stadt zog und laut und schrill ihre Ankunft einläutete. Teilnehmer der Parade waren vornehmlich versch. Kulturelle Gruppen sowie Schulen und Universitäten, aber auch die Polizei, Feuerwehr etc. waren mit Kunststücken und kreativen Umzugswagen vertreten. Eine wirklich gelungene Zeit in meiner zweiten Heimat!

 

Die letzten Dezemberwochen waren von einem eher tragisch bis traurigen Ereignis überschattet, da ein guter Freund von mir sein Auslandsjahr abgebrochen hat und sich mittlerweile schon wieder zurück in Deutschland befindet. Seine Intensionen waren klar und eindeutig, denn nach einem schweren Schicksalsschlag seiner Freundin, wollte er einfach nur noch zurück ihr und ihr in diesen schwierigen Stunden beistehen. Ich respektiere seine Entscheidung voll und ganz, denn ich glaube keiner könnte sagen, wie er in so einer Situation gehandelt hätte. Da nun seine Tage gezählt waren musste unsere letzte gemeinsame Zeit hier in Ecuador natürlich genutzt werden und die nahmen wir uns auch! Von guten Gesprächen, über eine erneute gem. Pichinchabesteigung bis hin zu einer Abschiedsfeier im edelsten Elektroclub war alles dabei. Ich bin froh seine Bekanntschaft gemacht zu haben und es war ein wirklich nicer Vibe, der zwischen uns beiden herrschte! Auf ein Wiedersehen in Deutschland mein lieber!

In der dritten Dezemberwoche hatten wir dann Examensphase im Projekt, was bedeutete für alle unseren 740Schüler in Englisch Examen mitzugestalten, diese schreiben zu lassen, zu korrigieren, zu benoten und auch wieder auszuteilen. Für mich, der noch vor einem guten dreiviertel Jahr seine letzte eigene Klausur in der Schule geschrieben hat natürlich eine super Erfahrung mal auf der anderen Seite zu sitzen und nach Spickern und Gesprächen Ausschau zu halten… Trotzdem kann ich sagen, dass es alles in allen eine riesige Arbeit war und ich auch durchaus Verständnis für meine ehemaligen Lehrer entwickelt habe was Verzögerungen bei der Klausurenrückgabe anbelangt. Außerdem mussten in der gleichen Woche die Endnoten eingetragen werden, was bedeutete allen Schülern ebenfalls eine mündliche Note zu geben, sowie deren Arbeitshefte zu bewerten… Was ein Glück, dass ich nur zweite bis siebte Klasse unterrichte …!

Des Weiteren wurde der Monat Dezember natürlich von dem Thema Weihnachten überschattet und so wollte selbstverständlich auch unsere Organisation VASE eine Weihnachtsfeier schmeißen. Wir bekamen ein bestimmtes Budget vorgegeben, mussten ein Projekt auswählen, ein Organisationsgremium aus ein paar Freiwilligen wurde aufgestellt und die Sache lag in unseren Händen. Die Treffen wurden wöchentlich am Wochenende abgehalten und wir planten den kompletten Ablauf der Weihnachtsfeier durch. Die Feier fand im „Camp Hope“ im Norden Quitos statt, was eine integrative Einrichtung für gemeinsames Lernen bezeichnet. Meine Wenigkeit befand sich in der Plätzchen- und Theatergruppe und so habe ich auch schon mal 30kg Teig vorbereitet und ein Theaterstück geschrieben. Die Proben für das Stück waren zeitaufwändig, aber trugen ihre Früchte. Meine Wenigkeit hatte die Rolle des Papa Noels (Weihnachtsmann) und dadurch hatte ich auch die Ehre den Kindern ihr Geschenk überreichen zu dürfen. Eine wirklich prägende Erfahrung, denn niemals zuvor habe ich in solche strahlenden Gesichter und funkelnde Augen gesehen. Wenn man bedenkt, dass die Kinder dort weise und behindert sind hat es mich wirklich mit Stolz erfüllt ihnen eine Freude machen zu können. Zusammenfassend war es eine gelungene Weihnachtsfeier, für die es sich gelohnt hat Arbeit, Mühe und Zeit zu investieren!

Die zweite Weihnachtsfeier folgte direkt danach in meinem eigenen Projekt der „Benito Juarez“, wo alle Klassen etwas Einstudiertes vorführten. Lustigerweise waren hierbei auch die Eltern involviert und führten Tänze, Theaterstücke und ähnliches auf. Wir Lehrer führten einen Tanz in traditioneller Kleidung bzw. Kostümierung auf, der vor den Augen der Schüler natürlich super ankam. Zum Schluss gab es noch ein Essen und alle haben gemeinsam getanzt.

Am Tag darauf folgte dann noch die kollegiumsinterne Weihnachtsfeier in einer Therme, die wir mit Jacuzzi, Sauna, Dampfbad und Rutschbahn sehr genossen. Wir hatten viel Spaß und es hat mir gefallen meine Kollegen auch mal privat, entspannt und ausgelassen zu erleben. Zum Schluss haben wir dann noch gem. Mittag gegessen und getanzt. Dass in der Sonne liegen bei 26Grad hat meine Weihnachtsstimmung zwar nicht gefördert, aber dennoch ist es auch eine Erfahrung die heilige Nacht mit Sonnenbrand zu begehen…

In diesem Sinne ein gesegnetes und frohes Weihnachtsfest sowie einen guten Rutsch ins Wiedersehensjahr 2011 aus dem nächtlichen und wohltemperierten Tumbaco!!!

Euer Marcelo

 

Sonntag, der 28.11.2010:

Drei Tage Alkoholverbot, patrouillierende Polizei auf allen Straßen, den ganzen Tag keine Taxis, Busse oder Autos auf der Straße und alle Einwohner und Ausländern müssen in ihren Häusern bleiben… Das heißt Volkszählung in Ecuador!

 

Der Tag des Censos (Volkszählung) wurde schon mehrere Wochen vorher in allen Medien angekündigt und war in allen Mündern. Ich konnte mir darunter überhaupt nichts vorstellen, da sowas in dieser Art und diesem Ausmaß in Deutschland nicht existiert. Daher sah ich anfänglich keine Problematik und ließ das ganze entspannt auf mich zukommen.

Das erste Mal mit der Thematik des Censos wurde ich dann am Freitagabend konfrontiert, als ich mit einem guten Freund von mir (Thomas aus Miami) nochmal in die Marsical auf ein Bier wollte und wir aufgrund des Abendessens mit seinen Eltern (die mich auch für eine Nacht ins Hotel einluden) erst gegen 24Uhr dort eintrafen. Auf der Straße kamen uns ein paar bekannte, jedoch auch frustrierte Gesichter entgegen, die uns berichteten, dass hier jetzt alles dicht machen würde. Nach unglaubwürdigen Blicken und einem kurzen Gespräch mit dem Türstehern wurde Thomas und mir klar, dass die ganze Sache wohl ernst war und ab 24Uhr bis Montag  12Uhr gesetzlich kein Alkohol verkauft werden dürfe und sie deshalb schließen würden.

Nun gut, die Ecuadorianer wollten wohl ein nüchternes Volk zählen und sich diesen bürokratischen und personellen Großaufwand durch den Alkohol nicht verderben lassen. Thomas und ich kehrten etwas enttäuscht in unser Hotel zurück und hofften dort noch unseren Absacker käuflich erwerben zu können, aber auch hier winkte man mit einem beschämten Lächeln ab. Des Weiteren erklärte man uns dort, dass auch die Hotelgäste am Sonntag den ganzen Tag im Hause bleiben müssen, was meiner Meinung nach im Marriott mit 24/7 Fitnessstudio, riesiger Poollandschaft und einem umwerfenden Wellness-Bereich nicht unbedingt die Strafe Gottes darstellt 😉

Der Tag des Censos war dann ein sehr ruhiger, entspannter und echt schöner Tag, meine Gastfamilie schlief ausnahmsweise einmal aus und es wurden allerlei Dinge im Haushalt erledigt und viel geplaudert. Rausgehen war unmöglich gewesen, denn die Polizei war auf den Straßen unterwegs und verhängte hohe Strafen auf Ausreiser an diesem Tag. Abgesehen davon, wäre sowieso kein Ort offen gewesen, zu dem man hätte gehen können.

Am Mittag half ich dann meiner Mutter eine ganz besondere Delikatesse zuzubereiten: Meerschweinchen! Es sollte das erste Meerschweinchen meines Lebens sein, dass ich nicht auf dem Schoß, sondern auf dem Teller vor mir hatte…

Die Tiere werden hier extra zum Verzehr gezüchtet und sind nicht zu vergleichen mit unseren Haustieren. Wenn man bedenkt, dass die Schweinchen für 7Leute 40Dollar kosten, kann man sich ausmalen, dass diese besondere Spezialität nur 2-3x im Jahr zubereitet wird und vor allem eine finanzielle Frage darstellt. Die bereiteten Schweinchen vom Grill wurden zusammen mit Süßkartoffeln, Salat und Reis serviert und mundeten mit knusprig gegrillter Haut wirklich sehr. Man kann sich den Geschmack wie Hühnchen, nur viel saftiger, zarter, intensiver und besser vorstellen. Wer einmal ins Südamerikanische Andengebiet kommt, sollte sich diesen unvergleichbaren kulinarischen Höhepunkt nicht entgehen lassen 😉

Wie als wäre es abgesprochen gewesen, klingelte direkt nach dem Essen eine Lehrerin einer örtlichen Schule hier in Tumbaco, deren Mitarbeiter den Censo hier durchgeführt haben. Wenn man bedenkt, dass an diesem Tage rund 14Mio. Menschen gezählt worden sind kann man sich den personellen und finanziellen Aufwand für diese Volkszählung ansatzweise ausmalen. Die freundliche Frau fragte mich nach meinem Geburtsort, Wohnort, Grund meines Aufenthaltes, meinen Sprachkenntnissen, meinen Eltern und deren Sprachkenntnisse, sowie nach meinen finanziellen Einkünften und meinen Versicherungen. Für mich als deutscher Staatsbürger natürlich nochmal eine ganz besondere Erfahrung, denn bei uns im Lande hätten bei so einer Volkszählung sicherlich Datenschützer mobil gemacht. Auch ich habe mich gefragt, was den Staat diese Informationen über mich angehen, aber jetzt als in Ecuador registrierter Deutscher habe ich wohl keine Wahl mehr 😉

Wahrscheinlich hätte in Deutschland auch eine E-Mail Kette des statistischen Bundesamtes an alle Einwohnermeldeämter im Lande für die notwendigen Daten zur statistischen Erhebung ausgereicht…

Aber gut, ich bin in Ecuador und irgendwie passt eine Aktion dieser Art genau hierher und fügt sich lückenlos in das Bild meiner kleinen, sympathischen zweiten Heimat…

 

Transatlantische Grüße aus dem sonnigen und frühlingshaften Tumbaco,

 

euer Marcelo

Straßentänze, alle Cuencanos in Feierlaune, die Stadt überfüllt mit Touristen, Künstler, unzählige Workshops, kulturelle Angebote und Feiermöglichkeiten, eine spektakuläre Licht und Feuershow, Straßenparaden und WIR mittendrinne 😉

 

Sonntag, der 31.10.2010:

Der Tag meiner Abreise nach Cuenca. Vor mir lagen 10Stunden Fahrt in das etwa 600km entfernte Cuenca. Den Tag verbrachte ich noch mit allerlei Besorgungen, die sich die Woche über aufgestaut hatten und ich konnte die Zeit auch super nutzen, da ich einen kompletten Tag lang Zeit hatte. Um 19Uhr nahm ich einen Bus hier in Tumbaco, fuhr bis zum Rio Coca (Terminal Norte), um dort in den guten alten Ecovía einzusteigen, der mich in die Mariscal zu meiner Busagentur Panamericana brachte. Für meine Reise hatte ich einen komfortablen Nachtbus gewählt, da ich somit relativ ausgeruht am nächsten Morgen in Cuenca ankommen sollte und ich die 10Stunden auch lieber schlafend verbringen wollte. Nach zwei Stunden Wartezeit und 150 Seiten in Dan Browns Symbol, durfte ich endlich den Bus betreten. Im Bus lernte ich einen Kubaner kennen, der schwer in Ordnung war und mit dem ich die halbe Nacht über das pol. System Kubas, seine Heimatstadt Havanna, die aktuelle Wirtschaftslage, die Abhängigkeit von Venezuela, Fidel Castro und kubanische Rum & Zigarren diskutierte…

 

Montag, der 1.11.2010:

Am Morgen kam ich mehr oder weniger ausgeschlafen im zu diesem Zeitpunkt regnerischen Cuenca an und fuhr mit dem Taxi in unser Hostel „Tourist of the World“. Um sieben Uhr morgens traf ich auf den total verschlafenen Rest der Crew und wir beschlossen erst einmal ein ordentliches Frühstück in unserer Hostalküche zuzubereiten. Eine Komposition aus delikaten Pfannkuchen mit frischem Orangensaft und einem Obstsalat war auch das Beste, was aus dieser Küche rauszuholen war. Das Vorhaben erstreckte sich über den gesamten Vormittag und erst gegen Mittag beschlossen wir uns dem 200m entfernten „Parque del Madre“ mit all seinen Angeboten und kulturellen Aktivitäten zu nähern. Hier fanden wir einen bunten Mix aus Künstlern, Tischkicker, Verkaufsständen, Kampfsportworkshops und Verkleidungskünstlern vor…

Danach beschlossen wir unsere kleine Erkundungstour in Richtung „verbotenes Café“ fortzusetzen und ich betrat einer der meist provozierenden und originellen Gebäude meines Lebens. Für dieses Café musste man an einer extra Pforte klingeln, es wurde durchweg Gothic und Heavymetal gespielt und allein die Wandverzierungen und der Eingang ließen auf einen sehr kreativen oder kranken Kopf schließen. Unter anderem hatte man die Möglichkeit sich in einem Sarg bedienen zu lassen, einen Peniswasserhahn zu bestaunen oder über einen Boden aus Kindersärgen zu schreiten. Nach einem kühlen Umtrunk verließ die Gruppe schockiert und fasziniert das eben beschriebene Etablissement. Unser Abendessen nahmen wir im dt. Restaurant „Wunderbar“ um die Ecke ein und bezahlten für Schweinemedaillons in Pfefferrahmsoße (JAAAAAA!!!) unschlagbare 4,50$.

Der heutige Abend sollte im „Parqué Calderón“ seinen Einklang finden. Dort bereitete man seit Tagen Feuerwerke für diesen Abend vor und ließ durch riesige Boxen Musik über den Vorplatz von Cuencas Kathedrale hallen. Hier traf ich auf zwei Eci-Freunde von mir aus Quito, die restlichen Freiwilligen aus Quito, die Amerikaner aus Johannas Projekt und auch auf den Kubaner aus dem Bus. Mit Straßentanz, Feuerwerk, brennenden Heißluftballons und viel Krach wurde der Abend ganz nach Art der „Fiestas de Cuenca“ eingeläutet. Seine Fortsetzung fand er in einem großen und sympathischen Club in der Clubszene von Cuenca… Hier feierten wir mit Touristen aus aller Welt, unseren neugewonnen Freunden, den anderen Freiwilligen und den Eci´s eine riesige und einzigartige Party…!

 

Dienstag, der 02.11.2010:

Früh aufstehen war angesagt, denn der heutige Tag sollte in den Nationalpark „Las Cajas“ (die Schachteln) führen, um dort ein paar der 270 Lagunen und die versch. Vegetationszonen zu besichtigen, die der Park zu bieten haben sollte…

Der Trip nahm mit einem Markthallenfrühstück für unschlagbare 2$ seinen Anfang, von wo aus wir ein Taxi an den Rand Cuencas nahmen. Am dortigen Autobahnbeginn trafen wir eine nette Familie, die uns mit dem Pick-up am dortigen Nationalpark absetzen wollte. Nach einer abenteuerlichen und erfrischenden Fahrt auf der Ladefläche wurde noch ein Erinnerungsfoto geschossen und wir waren am Eingang des Parks. Etwas durchgefroren von der Fahrt war unser erster Gedanke ein warmes Getränk, was wir uns nach nettem Fragen in der Küche des Security-Mitarbeiters mit einem Lächeln zubereiten durften. Nach der Stärkung mit dem allerletzten Café des freundlichen Mannes fingen wir an die erste große Lagune zu umrunden. In etwa der Mitte des Sees schlugen wir in die gefürchtete und ultrasteile „Ruta No. 2“ ein, die zu einem 4.300Meter hohen Berggipfel führt, von dem man eine exquisite Aussicht über den ganzen Park hat. Durch die Steigung und die damit kombinierte Höhe, entpuppte sich eben diese Route als eine wahre Tortur. Jedoch war das Gefühl am Gipfel angekommen zu sein und nur die Aussicht genießen zu können überwältigend. Ein Bewusstsein des Genießens der ecuadorianisches Weite und Freiheit stellte sich bei mir ein. Wahnsinn!

Am Abend gesellte sich unser Dreierteam, um Linda, Christoph und mich, nochmals in die Wunderbar um dort das gestrige Menü erneut zu genießen. Bei einem super Gespräch und gutem Essen besprachen wir unsere Pläne unseres letzten Abends in Cuenca, die eindeutig in Richtung „Barrioparties“ und Kneipentouren tendierten… Im Hostal trafen wir uns dann mit dem ganzen Rest der Bande um gemeinsam loszuziehen und zu erkunden! Ganz demokratisch folgte unsere Gruppe dem einheitlichen Willen und wir verbrachten einen etwas chaotischen, dennoch vielseitigen und eindrucksvollen letzten Abend in Cuencas Nachtleben!

 

Mittwoch, der 03.11.2010:

Unseren letzten Tag in Cuenca, der eigentliche Feiertag zu Gedenken der Unabhängigkeit der Stadt von den Kolonialmächten, verbrachten wir eher gemütlich mit Bummeln durch die Stadt, am Fluss entlang und mit ausgiebigem Frühstück. Wir wohnten einem Seifenkistenrennen bei, sahen den Präsidenten Rafael Correa durch die Stadt ziehen und genossen die letzten Atemzüge cuencanischer Luft im Park. Des Weiteren mussten noch die letzten Besorgungen an den Verkaufsständen getätigt werden und eine gemeinsame abendliche Stadtrundfahrt war noch in Planung. Die fiel leider aufgrund des Feiertages am Abend aus und so war ein letztes gemeinsames Abendessen beim Italiener die unausweichliche Alternative. Um uns für die Rückfahrt einzudecken besuchten wir noch einen Supermarkt, dessen örtliches Befinden einigen von uns Rätsel aufgab. Der Vorteil war, so bekamen wir noch einen schönen nächtlichen Einblick von den vielen Kirchen, die Cuenca zu bieten hat. (Man sagt für jeden Sonntag im Jahr hat Cuenca eine Kirche)

Noch schnell zurück in unser Hostal, um unsere Sachen abzuholen und dann ging es auch schon zurück zum Busterminal der guten alten Panamericana. Wir bestiegen unseren Nachtbus glücklich, mit dem Wissen morgen früh wieder arbeiten zu müssen, jedoch auch voller neuer Erlebnisse und auch ein bisschen Wehmut, denn irgendwie verzaubert einen Cuenca mit seinem Charme in einer ganz besonderen Weise … 😉

 

Go live a life of joy and not a life of sorrow,

Marcello

 

 

Nun ist er da; der mit Spannung erwartete Bericht über mein Projekt und meine Arbeit in der Nachmittagsschule „Escuela Mixta Benito Juarez“. Ich bin jetzt schon seit 6Wochen dort eingesetzt und diese Schule ist der eigentliche Grund meines Einsatzes hier. Der Grund warum ich erst jetzt nach vergleichsweise langer Zeit darüber schreibe ist, dass ich primär Eindrücke sammeln wollte und einen umfassenden Bericht darzulegen und nicht nur um Bruchstücke und einzelne Fetzen zu erzählen.

 

Fakten:

Name: „Escuela Mixta Benito Juarez“

Schüler: 720 Schüler in 24Klassen

Alter: 5-14Jahre

Schulform: Nachmittagsschule von 13-18Uhr

 

Alles nahm damit seinen Anfang, dass wir zwei Wochen nach der Ankunft hier mit Belen, einer Mitarbeiter des VASE-Teams zur Schule geführt wurden und wir der Schulleiterin, sowie den meisten Lehrern vorgestellt wurden. Danach bekamen wir noch unsere Stundenpläne, Schlüssel für die Räumlichkeiten und einen kleinen Rundgang zu Besichtigungszwecken. Zum Schluss wurden wir noch gefragt, ob wir uns schon zutrauen würden selbstständig zu unterrichten und welche Klassen wir gerne haben würden. Nach einer Erklärung seitens der VASE-Mitarbeiterin sei es doch besser, uns vorerst „Schulluft“ schnuppern zu lassen und uns allmählich mehr Kompetenzen zu zusprechen.

Der erste Arbeitstag von Matthias(wohnt auch mit mir in Tumbaco und ist mittlerweile mein bester Kumpel hier) und mir verlief dann eher bescheiden. Alle Lehrer wurden vorgestellt und damit mussten auch wir beide vor mehr als 700 Schüler treten und bekamen nicht mehr als ein verschmitztes Lächeln und ein verlegenes „Hola!“ heraus. Der Jubel und Enthusiasmus für uns war überraschend groß. Danach wurde noch ganz patriotisch die ecuadorianische Flagge gehisst und die Hymne per Kassettenrecorder und Mikrofon über den ganzen Pausenhof geschallt. Diese Prozedur wiederholte sich jetzt eine Woche lang und danach war für uns der Arbeitstag schon wieder beendet.

In der nächsten Woche sollte es dann richtig losgehen und wir wurden dem Sportlehrer Fabian zugeteilt, der an sich eine sehr entspannte Person ist, sehr verständnisvoll und ein netter Arbeitskollege. Er selbst hat drei Kinder und vormittags noch einen Job bei einem Logistikunternehmen. Des Weiteren hat er einen leichten Hang zum Militarismus, lässt die Kinder gerne marschieren, liebt Disziplin und seine drei Kinder sind ebenfalls auf einer Militärschule in Puembo.

Meine zweite Arbeitskollegin heißt Gloria, ist ziemlich jung und mag es Freiwillige um sich zu haben. Sie ist eine sehr sarkastische Person, die viel Humor und Witz als Kollegin hat, dafür aber den Unterricht eher streng gestaltet.  An sich ist ihr Englisch auch keinesfalls perfekt und so genießt sie es sich immer noch mal bei einigen Worten und Formen rückversichern zu können. Auch sie hat vormittags noch einen Job an einer anderen Schule hier in Tumbaco.

Der Unterricht bestand für Matthi und mich in den ersten Wochen eher aus hospitieren als aus selbst unterrichten. Eigentlich saßen wir die ganze Zeit nur dabei und haben zugeschaut, wie man so eine ecuadorianische Klasse kontrolliert und in Zaum hält. Auch musste sich unser Spanisch vorerst soweit verbessern überhaupt eine Klasse leiten zu können.

Ich erinnere mich hierbei nur zu gerne an eine Situation in meiner zweiten Woche, in der Gloria auf die Idee kam, jetzt plötzlich die ganze Schule nach Läusen durchsuchen zu müssen und ich solle doch mal Beaufsichtigung in der Klasse 5C führen. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich noch nicht wissen, dass dies die schlimmste Klasse der Schule sein sollte. Kaum 5-Minuten nach meiner Ankunft, stellten die Kinder viele Fragen, wollten dass ich einige Zurechtweise, da der Lautstärkepegel enorm anstieg und die Beschwerden häuften sich. Ich vorne versuchte vorzutäuschen, dass ich mich auf ihre Mathematikklausuren konzentrierte, jedoch verstand ich weder die Kinder, noch konnte ich irgendwie einen Schüler maßregeln, da mir einfach die Vokabeln fehlten. Eine verdammt blöde Situation, weil die Kinder dies bemerkten und das Chaos sich proportional zu den Nichtbeantworteten Fragen steigerte…

Mittlerweile muss ich sagen, dass man diese Schulvokabeln sehr schnell lernt und ich in meinem Projekt viel an Spanisch dazugelernt habe. Die meisten Kinder sind auch sehr herzlich, begrüßen einen in der ganzen Stadt und in der Schule mit einem lauten „Profe!“ und meistens gibt’s auch noch eine Umarmung mit anschließendem Händchen halten. So passiert es mir zum beispielsweise oft, dass ich abends vom Fitnessstudio oder vom Einkaufen zurückkehre und mir Kinder aus dem Bus, aus dem Fenster oder von der anderen Straßenseite ein lautes „Profe Marcello!“ zurufen.

Zum jetzigen Zeitpunkt weiß ich sehr gut, wie man eine Klasse zurechtweist (da kommt der Bademeister raus 😉 und inwieweit man Autorität und Humor verbinden kann. Auch helfen mir meine 13Jahre Schule bezüglich Unterrichtmethoden sehr gut weiter.

Auch merken meine Kollegen, dass ich viel in der letzten Zeit gelernt habe und ich bekomme immer mehr Kompetenz zugesprochen. So wird aus dem anfänglichen Rumsitzen immer mehr ein Abwechseln der Stunden geben in Englisch und ein Aufteilen der Klasse in Sport. Nun habe ich fast täglich Verantwortung und Eigenständigkeit, die mich ausfüllt. Oftmals sind die Lehrer auch während meiner Stunden gar nicht anwesend und vertrauen mir so die Klasse komplett an. Matthi und ich wechseln uns täglich ab, sodass jeder einen Tag Englisch hat und den anderen Tag dann wieder Sport. Diese Abwechslung trägt im Idealfall auch nochmal dazu bei, dass es nicht langweilig wird.

Dennoch muss man sagen, dass die Zustände die ich in dieser Schule mitbekomme absolut katastrophal sind und einfach so überhaupt nicht mit deutschen Verhältnissen zu vergleichen sind. In jeder Klasse hat man wirkliche Außenseiter, die entweder komplett introvertiert oder absolut ungehorsam sind. Besonders im Sportunterricht bemerkt man das sehr deutlich. Auch ist die Schuluniform oftmals viel zu groß und von älteren Geschwistern oder viel zu klein, weil die Eltern kein Geld haben Neue zu kaufen. Viele Kinder sind total vernachlässigt, haben im Alter von 6Jahren schon verfaulte Zähne, haben verdrecktes Haar und eine verletzte, schmutzige und fahle Haut. Auch ist der Körpergeruch, der in der Regel im jungen Alter noch nicht stark vorhanden ist bei vielen schon sehr stark ausgeprägt, was klar aus mangelnder Hygiene resultiert. Immer wenn ich mit Essen über den Pausenhof flaniere, bekomme ich viele Anfragen, ob sie mal von meinem Kuchen oder Brot beißen dürfen oder ich ihnen meinen Überrest schenken würde. Das stimmt mich oft sehr traurig, denn die Unkonzentriertheit der Kids resultiert meistens aus einem mangelhaften oder nicht dagewesenen Mittagessen. Das Lieblingsessen der meisten besteht aus Reis mit Reis… Die traurige Wahrheit hat sich für mich offenbart, als ich eine Umfrage in einer vierten Klasse machte, wer alles Milch zu Hause hätte und von 40Kindern hatten keine 15 die Hände oben… Außerdem gibt es in jeder der Klassen (2-8) Schüler, an denen die komplette Schulbildung vorbeigezogen zu sein scheint. Diese „Problemkinder“ sind totale Analphabeten und können weder lesen noch schreiben. Eine traurige Realität, denn davon findet man etwa 2-7 in jeder der 40Schüler starken Klassen.

Viele der Kinder haben Alkoholiker als Eltern, die es vorziehen in Alkohol zu investieren als in Essen, Schulsachen oder Spielsachen. Für ihre Kinder interessieren sie sich prinzipiell nicht und der neueste Hollywoodstreifen hat mehr Priorität als sich ernsthaft mit ihren Kindern auseinander zu setzen. Des Weiteren ist ihnen auch die Leistung ihrer Kinder, in denen ihrer Meinung nach unwichtigen Schulfächern, wie z.B. Englisch herzlich egal und auch die schlechteste Note 10 wird eher ignoriert als dagegen vorgegangen. Hinzu muss jedoch gesagt werden, dass die Eltern in den Problemfächern der Kids oftmals selbst keine Ahnung haben und ihnen auch Geld für eine Nachhilfe fehlt. Eine Vielzahl der Kids hat einfach ein riesiges Bedürfnis sich mitzuteilen und körperliche Nähe zu erfahren und so suchen sie dieses oftmals bei uns Freiwilligen, was wir aber bei der großen Menge an Schülern einfach nicht leisten können.

 

Wir zwei Volunteers haben uns auch schon oft gefragt, ob es nicht prinzipiell sinnvoller wäre von unserem weltwärts-Stipendium der Benito Juarez jeden Tag einen Mittagstisch zu finanzieren und alle Kinder gehen satt und konzentriert in den Unterricht, als uns in Arbeit zu involvieren, die die beiden Lehrer Gloria und Fabian selbstständig und ohne Freiwillige verrichten könnten.

Besonders haben wir zwei uns gewünscht die Situation der Analphabeten in der Schule zu verbessern, da wir hierin die Chance sahen langfristig und nachhaltig die Lage der Schüler zu verbessern. Diese Kinder haben auf dem Arbeitsmarkt später geringe Perspektiven und Bildung generell bleibt ihnen absolut verwehrt, wenn sie nicht des Lesens und Schreibens mächtig sind. Daher haben wir beide in der letzten Woche mit der Direktorin gesprochen und unser Konzept eines Analphabetenkurses für Betroffene vorgestellt, das glücklicherweise mit Entgegenkommen bewilligt wurde. Der Kurs hatte letzten Freitag seine Premiere gehabt und ich habe in einem kurzen Lesetest und Wörterdiktat das Können meiner Schüler auf die Probe gestellt, umso nochmal nach Schweregraden zu differenzieren und überhaupt die Notwendigkeit festzustellen. Nun kenne ich schon einige Fehlerschwerpunkte und kann für nächste Woche gezielt Übungen und Arbeitsblätter vorbereiten. Nach dem etwa halbstündigen Test kam ich mit meinen Schülern ganz beiläufig auf Deutschland und Europa zu sprechen und sie eröffneten mir, dass nichts darüber wüssten. Daraufhin begann ich mit einem kleinen Geographieexkurs und auf meine Frage nach den fünf Erdteilen bekam ich „Pichincha, Mexiko, Costa oder Collaqui zu Antwort…“ Als leidenschaftlicher Geographiker haben wir so primär die fünf Kontinente durchgenommen, die ich auch als Hausaufgabe zum Lernen aufgegeben habe. Ich persönlich habe mir das Ziel gesetzt, dass nach meinem Jahr hier alle Schülerinnern und Schüler aus meinem Kurs schreiben und lesen können…! Über den Fortschritt des Kurses könnt ihr euch selbstverständlich auf dieser Seite hier informieren 😉

Dennoch ist das nicht alles, was ich momentan an zusätzlicher Freiwilligenarbeit hier in Tumbaco leiste. Die Idee hierzu verdanke ich meiner Gastschwester Sandra, die mich eines Abends über meine Sportvorlieben ausfragte und ich von meinem langen Dasein als Judoka berichtete. Diese Tatsache überwältigte sie und sie schlug vor, dass ich das Fach Judo an ihrer Schule (sie ist ebenfalls Lehrerin) in Collaqui, dem deutlich ärmeren Stadtteil von Tumbaco anbieten solle. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Direktor war die Sache geritzt und ich bekam direkt volle Handlungsfreiheit und volle Unterrichtskompetenz für alle Klassen der Schule zugesprochen. (!!)

Seitdem bin ich jeden Montag und Mittwochvormittag für 2Stunden dort aufzufinden und bringe den Kindern Fallschule, Haltegriffe und Würfe bei. Die Kinder, deren Eltern sich niemals einen Sportverein oder eine japanische Kampfschule leisten könnten, lernen in diesem Sport viel über den eigenen Körper, Gleichgewichtssinn, Konzentration und Koordination. Das Altersspektrum liegt hierbei von 5-16Jahren.Das ganze macht mir großen Spaß und bis Mitte Dezember werde ich alle Klassen etwa 2x unterrichtet haben. Danach werde ich die Kids vor eine Entscheidung stellen und ich plane eine Judo-AG für Interessierte anzubieten, damit ich motivierte Schüler um mich habe, die Lust auf den Kampfsport haben und mit denen ich mich dann auch etwas mehr in die Materie vertiefen kann.

 

Soviel zu meiner aktuellen Arbeit und jetzt habt ihr einen Überblick, was ich hier den ganzen Tag so treibe. Sowie sich etwas ändern sollte werdet ihr es selbstverständlich erfahren … Ich hoffe es hat euch Spaß gemacht den Bericht zu lesen 😉 Schaut euch auch meine Bilder zu diesem Bericht an. Das war es von meiner Seite aus…!

 

Hope to speak to you soon,

Marcel